nd-aktuell.de / 09.06.2021 / Politik

Wirksames Mittel gegen Rechtsrock wird kaum genutzt

Kleine Anfrage der Grünen in Thüringen: Seit 2017 wurde nur ein Gebührenbescheid an Veranstalter geschickt

Erfurt. Die Thüringer Polizei hat seit 2017 nur in einem Fall nach ihrem Einsatz bei einer rechten Musikveranstaltung dem Organisator einen Gebührenbescheid geschickt. Ein Gebührenbescheid informiert den Veranstalter über die Kosten des Polizeieinsatzes und fordert ihn gleichzeitig auf, diese zu übernehmen.

Bei einer weiteren Rechtsrock-Veranstaltung prüfe die Polizei derzeit noch, ob sie einen Bescheid versende, heißt es in der Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Madeleine Henfling.

Bei weiteren 51 von 53 seit damals geprüften Veranstaltungen «konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich um nicht genehmigte öffentliche Veranstaltungen handelt». Deshalb habe man davon ausgehen müssen, dass die als Liederabende, Geburtstagsfeiern, Konzerte und Ähnliches deklarierten Events «privater Natur»« gewesen seien. »Somit lagen keine Gründe für einen Kostenbescheid gegenüber dem jeweiligen Verantwortlichen vor«, hieß es. Die Entscheidung über einen Kostenbescheid trifft nach Angaben des Innenministeriums die Landespolizeidirektion.

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Ehe die Corona-Pandemie Konzerte und Festivals unmöglich gemacht hat, war Thüringen eine Hochburg für Musikveranstaltungen der rechten Szene[2]. Nicht nur Großkonzerte mit Tausenden Teilnehmern wie etwa in Themar (Landkreis Hildburghausen) fanden im Freistaat regelmäßig statt. Vor allem auch zu kleineren sogenannten Lieder- oder Balladenabenden haben sich Rechtsextreme in Thüringen in ihren verschiedenen Immobilien immer wieder getroffen.

Innenminister Georg Maier (SPD) hatte den Kampf gegen rechte Musikveranstaltungen zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit erklärt. In diesem Zusammenhang war immer wieder diskutiert worden, die Rechtsrock-Veranstalter über Gebührenbescheide an den hohen Kosten zu beteiligen, die durch die Polizeieinsätze bei den Szene-Konzerten entstehen.

Nach Zählung der Demokratieberater des Vereins Mobit hatte es im Jahr 2019 durchschnittlich mehr als eine Rechtsrock-Veranstaltung pro Woche in Thüringen gegeben. Insgesamt hatten damals 65 Liederabende und Konzerte im Freistaat stattgefunden. In den beiden Vorjahren lagen die Zahlen auf einem ähnlich hohen Niveau. Die meisten dieser Veranstaltungen fanden in den Landkreisen Hildburghausen und Sonneberg sowie den kreisfreien Städten Erfurt und Eisenach statt.

Bei der rechten Veranstaltung, für die die Polizei einen Gebührenbescheid verschickt hat, handelt es sich nach Angaben des Innenministeriums um ein Konzert im Juli 2019 in Eisenach. Es sei von einer Privatperson veranstaltet und dann durch die Polizei aufgelöst worden. Dabei seien 56 Beamte zum Einsatz gekommen. Vor Ort waren den Angaben nach 72 Konzertbesucher.

Den Angaben nach hat die Polizei dem Veranstalter für diesen Einsatz etwa 29 000 Euro in Rechnung gestellt. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Veranstalter habe das Geld noch nicht bezahlt. »Der Betroffene hat dem Kostenbescheid widersprochen«, so der Sprecher. In einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Weimar habe sich der Mann zunächst erfolgreich dagegen gewehrt. »In der Hauptsache ist ein Klageverfahren gegen den Kostenbescheid am Verwaltungsgericht Meiningen anhängig, jedoch noch nicht entschieden.«

Geprüft wird den Angaben nach ein weiterer Kostenbescheid zu einem rechtsextremen Szenetreffen in Oberroßla, einem Ortsteil von Apolda. Dort hatten sich im Juli 2020 fast 90 Rechtsextreme versammelt. Die Party war von 85 Polizisten aufgelöst worden. dpa/nd

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1152059.ballstaedt-wir-hatten-todesangst.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1144913.magdala-kommune-muss-neonazis-entschaedigen.html