Prozessbeginn gegen »RAZ«

Staatsanwaltschaft wirft Cem K. mehrfache Brandstiftung vor

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

»Linke Politik verteidigen« stand auf dem Transparent, das am Dienstagmittag vor dem Eingang des Berliner Landgerichts aufgespannt war. Linke Antirepressionsgruppen hatten hier eine Solidaritätskundgebung für Cem K. angemeldet, an der sich rund 50 Menschen beteiligten. Dem 46-Jährigen wird von der Staatsanwaltschaft Brandstiftung in drei Fällen 2010 und 2011 vorgeworfen.

Die Brandsätze vor dem Eingang des Weddinger Amtsgerichts und der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatten damals keine hohen Sachschäden verursacht. Doch die Behörden ermittelten mit Hochdruck, weil an den Tatorten das Kürzel »RAZ« gesprüht worden war. Es ist die Abkürzung für die »Revolutionären Aktionszellen«, eine militante Gruppe, die zwischen 2009 und 2011 aktiv war. In ihren Texten, die unter anderem in der Zeitschrift »radikal« veröffentlicht wurden, beschrieb sich die »RAZ« als militante Gruppe auf »sozialrevolutionärer Grundlage«.

Erstmals in Erscheinung war sie mit einem Anschlag auf das Gebäude der Arbeitsagentur in Berlin-Wedding am 30. Dezember 2009 und wenige Wochen später auf das Haus der Wirtschaft in Berlin-Charlottenburg getreten. Eine Großrazzia am 13. Mai 2013 in Berlin, Stuttgart und Magdeburg wurde von der Polizei als Schlag gegen die »RAZ« präsentiert.

Doch mittlerweile wachsen Zweifel an dieser Erzählung. Die anfänglichen Ermittlungen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach dem Paragrafen 129 StGB wurden von der Justiz eingestellt. Nach über acht Jahren wurde dafür am Dienstag das Verfahren gegen Cem K. eröffnet. Nach Ansicht von seinen beiden Verteidiger Sven Lindemann und Ulrich von Klinggräff ist die Beweislage äußerst dünn.

Am ersten Verhandlungstag wurde nach drei Stunden von der Staatsanwaltschaft lediglich die Anklage verlesen. Zuvor hatten die beiden Anwälte des Beschuldigten mehrere Anträge gestellt. Die Juristen wandten sich vor allem gegen die besonderen Sicherheitsmaßnahmen der Verhandlung, die unter anderem Kopien der Ausweise aller Besucher*innen vorsahen. Auch die begrenzte Zahl von Besucher*innen und Pressevertreter*innen wurde moniert. Zudem wiesen sie daraufhin, dass die angegebene Schadenssumme der Anschläge falsch sei. Das Gericht wies die Anträge zurück. Die Begrenzung sei auf die Pandemiebeschränkungen zurückzuführen. Die besonderen Sicherheitsmaßnahmen begründete der Richter damit, dass dem Angeklagten »linksextremistisch« motivierte Straftaten vorgeworfen wurden.

Die Anwälte kündigten an, dass der Angeklagte sich zu den Vorwürfen vorerst nicht äußern werde. Ihnen würden dazu noch Akten fehlen, kritisierten sie. Bis zum nächsten Termin, der am 17. Juni um 9 Uhr vor dem Berliner Landgericht beginnt, sollen diese noch einmal geprüft werden, hieß es. Bisher sind vom Berliner Landgericht 20 Prozesstage bis in den Oktober anberaumt.

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