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Die bockigen Genossen

Wohnungsbaugenossenschaften fürchten weiterhin Vergesellschaftung

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Wortreich und mit Hilfe mehrerer Folien stellt Kalle Kunkel von Deutsche Wohnen und Co enteignen auf einer von der Berliner Linksfraktion organisierten Diskussion am Montagabend dar, warum Genossenschaften von der von seiner Initiative geplanten Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne nicht betroffen wären. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Regina Kittler, hatte zu der Veranstaltung geladen, da sich die Vorstände großer Genossenschaften gerade mal wieder verstärkt auf das Volksbegehren - und den dann eventuell im September folgenden Volksentscheid - einschießen.

Dirk Enzensberger ist Vorstand der mit knapp 7000 Wohnungen nicht eben kleinen Charlottenburger Genossenschaft eG und Sprecher der Wohnungsbaugenossenschaften Berlin, eines Zusammenschlusses von derzeit 27 gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen. Enzensberger lauscht dem Kunkels Vortrag zunehmend genervt, bis es aus ihm herausplatzt: »Vielleicht wäre es ja irgendwann mal gut, dass wir einen Monolog beenden. Das ist ja nicht förderlich einer solchen Debatte«, ätzt er.

Das Thema Volksentscheid scheint Enzensberger durchaus auf den Nägeln zu brennen. Nur warum der Verband der Genossenschaften sich so vehement gegen Regulierungen in der Wohnungspolitik, die die Genossenschaften gar nicht betreffen, wendet, verstehen die wenigsten. Höchste Zeit also, den Dissens anzugehen und Argumente auszutauschen, fand zumindest Linke-Politikerin Kittler und lud Kunkel und Enzensberger zum Gespräch.

Kunkel macht nochmals deutlich, dass Genossenschaften von den Vergesellschaftungsplänen explizit ausgenommen sind und zitiert Paragraf 3 des von seiner Initiative vorgeschlagenen Gesetzestexts: »Nicht vergesellschaftungsreif sind gemeinwirtschaftliche Unternehmen des Privatrechts, insbesondere Genossenschaften.« Um dann zu unterstreichen, dass es doch sehr einfach sei, zwischen Gemeinwirtschaft - zu der Genossenschaften zählen - und profitorientierten Unternehmen zu unterscheiden.

»Ich fang noch mal ganz von vorn an«, beginnt Dirk Enzensberger seinen Beitrag, in dem er erklärt, dass er und die Genossenschaften, die er vertritt, davon ausgehen, dass sie »nicht rechtssicher« von etwaigen Vergesellschaftungsplänen ausgenommen werden können. Er befürchte diesbezüglich »jahrelange Rechtsstreitigkeiten«. Auch sei es »höchst zweifelhaft«, ob das Gesetz letztlich - wie beim Mietendeckel - vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben werde.

Der ebenfalls zur Diskussion eingeladene bau- und wohnungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Michail Nelken, appelliert schließlich an den Vertreter der Initiative und den Genossenschaftsvorstand, sich doch der gemeinsamen Ziele zu besinnen, nämlich: bezahlbaren Wohnraum für möglichst viele zu schaffen. »Eigentlich wollen Genossenschaften, die Linke und die Initiative, was sozialen Wohnungsbau und was bezahlbare Mieten betrifft, doch alle das Gleiche«, so Nelken. Man habe doch nur über die Instrumente unterschiedliche Ansichten.

Ob dem so ist? Enzensberger sagt dazu nichts. Schließlich versteigt er sich in recht weitreichende Vergleiche, wenn er sagt: »Man könnte dann ja auch Edeka oder Rewe enteignen, weil die auch mit Grundbedürfnissen Profit machen.« Überhaupt seien »wir Genossenschaften« nun einmal »nicht gemeinwirtschaftlich und nicht gemeinnützig«.

»Ich glaube, langsam verstehe ich so ein bisschen, was die Genossenschaftsvorstände umtreibt«, sagt Linke-Politiker Nelken zum Ende der Diskussion. Gleichwohl bleibt vieles im Unklaren. Der zuvor wohl auch ein wenig erhoffte Schulterschluss zwischen Linken und Genossenschaften wird verweigert, obwohl Nelken immer wieder versucht, Enzensberger zu erweichen.

Zuletzt versucht auch Regina Kittler angesichts der Missstimmung zu retten, was zu retten: »Ich nehme wahr, und das nehme ich auch sehr ernst, dass Sie sagen, dass die Zusammenarbeit mit den Genossenschaften gestärkt werden und verbessert werden muss. Außerdem, dass die Grundstücke für Genossenschaften zur Verfügung gestellt werden, damit auch Genossenschaften bauen können.« Der Graben zwischen Linken und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen scheint trotzdem tief.

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