nd-aktuell.de / 17.06.2021 / Berlin / Seite 9

»Autonome Zone« eingerichtet

In der Rigaer Straße geht es im Vorfeld der Brandschutzbegehung hoch her

Darius Ossami

Es war ein unmissverständliches Zeichen: Am Mittwochvormittag um kurz nach halb elf errichteten mutmaßliche Unterstützer*innen des von Räumung bedrohten Hausprojekts Rigaer 94 drei meterhohe Barrikaden in der Rigaer Straße in Friedrichshain und zündeten diese an. Unter anderem wurden Baustellenabsperrungen, Fahrräder, Metallgitter, Holzkonstruktionen, Schilder der geplanten Parkverbotszone, Stacheldraht und sogar ein Auto verbaut. »In dieser Minute wird die Straße verbarrikadiert und eine autonome Zone eingerichtet, um die Rote Zone des Senats zu verhindern«, war auf dem Twitteraccount des Hausprojekts zu lesen.Die Rauchwolken waren im ganzen Viertel zu sehen. Auch in den umliegenden Straßen wurden einige kleinere Barrikaden errichtet.

Anrückende Polizist*innen wurden auf der Straße und von Dächern mit Steinen und Feuerwerkskörpern beworfen und waren über eine Stunde lang nicht in der Lage, die Barrikaden zu räumen. Erst gegen 12 Uhr konnten sie die Barrikaden durchbrechen. Unter Einsatz eines Wasserwerfers und eines Räumpanzers wurde gelöscht und geräumt. Ein Hubschrauber überflog die Szenerie.

Während Beamt*innen mehrerer Einsatzhundertschaften nun ihrerseits die Straße besetzten, saßen einzelne Rigaer94-Bewohner*innen scheinbar seelenruhig in den Fenstern und beschallten die Straße mit einem Soundtrack von Punk bis Abba. Es stank nach verbranntem Plastik und Asphalt, ein paar Dutzend Unterstützer*innen und Neugierige versammelten sich an den Absperrungen, einige riefen Parolen wie: »Rigaer Straße, Köpi bleibt – one struggle one fight«.

Kampf um die Rigaer: Statement aus dem Haus

»Das ist ein extremistischer Angriff auf den Rechtsstaat, nur weil ein Gutachter des Bezirks den Brandschutz überprüfen möchte«, erklärte Benjamin Jendro, Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) dazu.

Die Bewohner*innen der Rigaer94 und ihre Unterstützer*innen befürchten hingegen, dass die Brandschutzbegehung nur als Vorwand für eine Teilräumung dienen soll. Deswegen versuchten sie, die Initiative zu ergreifen und die »Rote Zone« um die Rigaer 94 zumindest symbolisch zu verhindern.

Am frühen Nachmittag hatte sich die Lage dann beruhigt. Die Polizei ist mit rund 400 Einsatzkräften vor Ort, darunter auch BFE-Einheiten. Auf dem sogenannten Dorfplatz soll noch eine genehmigte Kundgebung von Unterstützer*innen stattfinden.

Die umstrittene Brandschutzprüfung soll am Donnerstagmorgen ab etwa 8 Uhr beginnen. Das kündigte ein Anwalt des Hauseigentümers am Mittwoch an. Erwartet würden ein offizieller Brandschutzprüfer, Anwälte sowie ein weiterer vom Eigentümer beauftragter Brandschutz-Sachverständiger. Auch Rechtsanwält*innen der Hausbewohner könnten vor Ort sein.

Die Bewohner*innen wollen die Brandschutzprüfung weiterhin auf dem juristischen Weg verhindern. Gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts legten sie Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein, wie eine Gerichtssprecherin am Mittwoch bestätigte. Darüber werde noch am selben Tag entschieden, sagte sie.

Das Verwaltungsgericht hatte am Dienstag entschieden, die Brandschutzprüfung sei zulässig und nicht zu beanstanden. Sie wiesen damit einen Eilantrag von Bewohner*innen, die den Zutritt eines Sachverständigen des Hauseigentümers verhindern wollten, zurück. Das öffentliche Interesse auf eine Prüfung sei höher zu bewerten als das Interesse der Bewohner*innen, von der Brandschutzbegehung verschont zu bleiben, so das Gericht.

Die Polizei verhängte von Mittwochmittag bis Freitagabend ein Demonstrations- und Parkverbot in Straßen an dem Haus. Zu diesem Zweck wurde eine sogenannte Rote Zone eingerichtet. Für Donnerstagabend kündigten Unterstützer*innen der Bewohner*innen des Hausprojekts eine Demonstration durch Friedrichshain an.