Berlin will sich als Fernreiseziel profilieren

Wirtschaft fordert vom Bund mehr Flugrechte für Interkontinentalflüge - BER soll Drehkreuz für Langstreckenverbindungen werden

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem machtvoll einsetzenden Sommer beginnt die Pandemie zu schwächeln, kommt der Reiseverkehr neu in Gang. Vor Wochenfrist hatte die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg bereits eine Wiederbelebung des Flugverkehrs bis zum Ferienbeginn und darüber hinaus mit rund 50.000 Passagieren pro Tag prognostiziert. Angesichts derart positiver Signale schlägt nun die Wirtschaft der Hauptstadtregion Alarm: Der Luftfahrtstandort bleibt, obwohl er mit dem BER über den drittgrößten Airport Deutschlands verfügt, unter seinen Möglichkeiten. Grund sind fehlende internationale Langstreckenverbindungen. Ein Manko, für das die Berliner Wirtschaft den Bund in der Plicht sieht.

»Die Hauptstadtregion der größten Volkswirtschaft Europas hat Potenzial für deutlich mehr Langstreckenverbindungen«, erklärte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, am Montag auf einer Pressekonferenz. »Es gibt Airlines, die großes Interesse zeigen. Wir brauchen Flugrechte für Berlin, die fehlen. Und dafür, das ist unser Aufruf, muss die Politik nun endlich die Weichen stellen.«

Eder äußerte sich ausdrücklich als Wortführer der »Langstrecken-Initiative« der regionalen Wirtschaft - ein seit 2018 existierender Zusammenschluss der Kammern sowie Verbände, Gewerkschaften und Institutionen beider Länder. »Im internationalen Vergleich lag die Metropolregion Berlin-Brandenburg schon vor der Coronakrise mit sieben Langstreckenverbindungen nur auf dem 22. Platz (zwischen Budapest und Kiew)«, teilte die Initiative mit. Aktuell gebe es am BER nur eine direkte Langstreckenverbindung, nach Doha in Katar. Interkontinentale Direktflüge seien aber ein wichtiger Baustein für das Wirtschaftswachstum nach der Coronakrise und für die Internationalisierung der Wirtschaft in der Region. »So kann eine zusätzliche Langstreckenverbindung bis zu 250 zusätzliche Firmenbeziehungen nach sich ziehen. Positive Effekte ergeben sich auch aus der besseren Vernetzung mit den Zieldestinationen«, so die Initiative.

Bislang fehlten interessierten Anbietern jedoch die Flugrechte für Berlin. Und weiter: »Die Partner der Initiative für mehr Langstrecken fordern deshalb die Politik auf, mehr Flugrechte zu vergeben, damit die Metropolregion Berlin-Brandenburg gerade angesichts der sich abzeichnenden Erholung des Luftverkehrs nicht noch weiter hinter die internationale Standortkonkurrenz zurückfällt.«

Auf Nachfrage präzisierte Jan Eder die Adressaten des gemeinsamen Aufrufs. Er habe volles Verständnis dafür, dass die Lufthansa als größte nationale Fluggesellschaft zwei Hubs - Luftfahrt-Drehkreuze - aus wirtschaftlichen Interessen bedient haben will. »Das kann aber nicht dazu führen, dass die Hauptstadtregion aus eigenem Interesse abgehängt wird«, so Eder. Das sei schlicht eine gegen Berlin gerichtete Politik. »Da muss es andere Lösungen geben. Und da muss auch eine Bundesregierung - sie ist Anteileignerin am Flughafen - anders handeln, aus Fürsorge für ihr eigenes Land und insbesondere für die Hauptstadtregion.«

Stefan Franzke, Chef von Berlin Partner, sagte: »Ich verstehe nicht, dass die Bundesregierung nicht mit Vollgas für ihre Hauptstadt einen Hub für die Langstrecke aufbaut. Den benötigen wir dringend. 70 Prozent der außereuropäischen Passagiere, die vor der Pandemie nach Frankfurt kamen, wollten nach Berlin.«

Hoffnungsträger für den Aufschwung nach der Pandemie ist die Fluggesellschaft Emirates, die den BER mit Direktflügen an ihr Drehkreuz Dubai anbinden will. Die Eröffnung des neuen Flughafens sei auch für die Wirtschaft der Region der ideale Zeitpunkt dafür, sagte Adnan Kazim, der Marketingchef der Airline.

Nach einem Abkommen Deutschlands mit den Vereinigten Arabischen Emiraten darf Emirates vier Flughäfen in Deutschland anfliegen. Die Gesellschaft nutzt derzeit die Flughäfen Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg. Statt eines der Landerechte zu verlagern, möchte Emirates seit Jahren eine zusätzliche Genehmigung, um auch in Schönefeld starten und landen zu können.

BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup würdigte das Interesse der Emirates an Berlin. »Deutschland braucht mehr internationale Flughäfen, die interkontinental direkt angebunden sind«, sagte er. »Menschen aus aller Welt wollen auf direktem Weg in die Hauptstadtregion fliegen und keine Umwege von Tausenden Kilometern in Kauf nehmen.« Bis 2025 will der BER neue Direktverbindungen nach Nordamerika und Asien knüpfen.

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