Klare Ansagen für den Deal

Initiativen und Linksfraktion wollen Vonovia kein Geschenk machen

  • Nicolas Šustr und Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) in Aussicht gestellte kurzfristige Ankauf von 20.000 Wohnungen aus Beständen der Konzerne Deutsche Wohnen und Vonovia im Zuge der Fusion der beiden wirft weiter Fragen auf. »Rekommunalisierung ist wichtig und gut. Die Frage ist nur: Wie läuft sie ab?«, sagt Fabian Steinecke vom Beirat des Initiativenforums Stadtpolitik Berlin zu »nd«. Das Bündnis »Warum SPD?«, dem Initiativen wie das Mieterforum Pankow, Kotti & Co und Kiezversammlung 44 angehören, hat fünf Forderungen für den Deal aufgestellt. Dazu gehört, dass der Ankauf nicht über eine zusätzliche Verschuldung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften erfolgen soll. Gefürchtet wird, dass das Geld »nur über Verschleppung von Instandhaltungen und weniger Neubau« aufgebracht werden könne. Auch beim Kaufpreis wird eine klare Obergrenze gesetzt. »Mehr als 2,3 Milliarden Euro darf das Land nicht bezahlen, wenn es den Konzern-Bossen nicht auf den Leim gehen will«, heißt es in dem Papier.

Keine Mondpreise zahlen

Mieter nach Rekommunalisierung unzufrieden

Vor rund zwei Jahren hat die Gewobag bereits ein großes, einst kommunales Wohnungspaket zurückgekauft. Für rund 920 Millionen Euro wurden von ADO Properties gut 2500 Wohnungen in der Rollberge-Siedlung im Reinickendorfer Ortsteil Waidmannslust und etwa 3500 Einheiten im Quartier Heerstraße Nord im Spandauer Ortsteil Staaken übernommen.

»In den letzten zwei Jahren gab es durch die Gewobag gravierende Verschlechterungen beim Mieterservice, bei den Hauswarten und bei der Arbeit der neu beauftragten Gartenbau- und Reinigungsfirmen«, sagt ein Mieter aus der Rollberge-Siedlung zu »nd«, er nennt sich Helge Müller. Der Sanierungsstau mache sich bei Asbest, Schimmel, Wasserrohrbrüchen, Verstopfungen, veralteten Fenstern, Heizungs- und Aufzugsausfällen bemerkbar.

Auch im Gebiet Heerstraße Nord häufen sich die Klagen. »Ein zentraler Punkt ist die niedrige Zahl an Hausmeistern, die im gesamten Quartier aktiv sind«, sagt die Linke-Abgeordnete Franziska Leschewitz. »Nach dem Rückkauf gab es eine hohe Euphorie auf Besserung der Lage der Mieter*innen. Wir drohen dies langfristig zu verspielen«, so Leschewitz weiter. Sie hatte mehrere Schriftliche Anfragen zum Thema gestellt. nic

Auch die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus hat in dieser Woche einen Beschluss zu den geplanten Ankäufen veröffentlicht. In der »Positionierung«, die »nd« vorliegt, heißt es unter anderem, dass die möglichen Ankäufe der offerierten Wohnungsbestände sehr genau unter die Lupe zu nehmen sind: »Das Angebot der Wohnungskonzerne, dem Land Berlin ein Portfolio von 20.000 Wohnungen für mutmaßlich mehr als 2,3 Milliarden Euro zu verkaufen, ist offensiv zu prüfen.« Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Steffen Zillich, ergänzt: »Über die Bestände und über deren Zustand muss Transparenz gegenüber dem Abgeordnetenhaus hergestellt werden.« Für die Linksfraktion ist auch wichtig, dass den Konzernen keine »Mondpreise« gezahlt werden.

Wie auch die Grünen wurde die Linke seinerzeit von den Verkaufsabsichten des Wohnungskonzerns überrascht. Zu hören ist, dass die Fraktionsführungen und Parteispitzen erst zehn Minuten vor einer Pressekonferenz zu dem Thema im Roten Rathaus in Kenntnis gesetzt worden sein sollen. Und obwohl auch die Linkspartei in dem Angebot eine »Riesenchance« erkennt, will sie nun nachträglich Einfluss nehmen.

»Der Verlauf der Übernahme unterstreicht die Erfordernis der Vergesellschaftung«, sagt Linksfraktionschefin Anne Helm. Offenbar stünden sowohl Deutsche Wohnen als auch Vonovia durch den anstehenden Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen unter erheblichem politischen Druck, meint Helm. Doch das ändere nichts an der Notwendigkeit des Volksentscheids. »Für uns ist entscheidend, dass bei den Verhandlungen stadtentwicklungspolitische und mietenpolitische Ziele verfolgt werden«, betont die Linke-Politikerin am Donnerstag bei der Vorstellung des Fraktionsbeschlusses.

Mieten müssen leistbar bleiben

Die Bedingungen der Linksfraktion sind demnach: Für alle angekauften Bestände müssen die Regelungen der Kooperationsvereinbarungen mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gelten. Dadurch wäre beispielsweise garantiert, dass die Mieten leistbar bleiben und eine soziale Wohnraumversorgung garantiert ist. Wie bei den anderen Wohnungsbaugesellschaften sollen auch die Bedingungen des Mietendeckels weiter wirksam sein, die das Bundesverfassungsgericht unlängst gekippt hatte, weil es dem Land Berlin keine entsprechende Gesetzgebungskompetenz zubilligte.

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Senatsspitze kann alleine entscheiden

Darüber hinaus fordert die Linksfraktion, dass durch den Ankauf nicht die Vorkäufe gefährdet werden. Wie man bei der Gewobag gesehen hat (siehe Kasten), können große Bestandsankäufe eine Wohnungsbaugesellschaft stark belasten. Die Linke will, dass durch den sich abzeichnenden »Megadeal« die Funktionalität der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften nicht infrage gestellt wird. Die Wirtschaftlichkeit muss gegeben sein, sagt Steffen Zillich, zugleich Finanzexperte der Fraktion. Wie aus Fraktionskreisen zu hören ist, muss der mögliche Ankauf der Wohnungen durch das Land offenbar nicht mehr vom Abgeordnetenhaus bewilligt werden, auch der Senat muss dem Geschäft nicht extra zustimmen. Anders sehe es aus, wenn Vonovia und Deutsche Wohnen ganze Gesellschaften veräußern würden, dann wäre eine Zustimmung notwendig.

Eine kurzfristige nd-Anfrage zu den Ankäufen blieb am Donnerstag zunächst unbeantwortet. Finanzsenator Kollatz hatte immer wieder erklärt, dass er, wenn sich die Gelegenheit bietet, zusätzliche Wohnungsbestände für das Land Berlin erwerben will. Am Donnerstag hatte die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte den Kauf der Kreuzberger Werner-Düttmann-Siedlung mit 577 Wohnungen bekanntgegeben.

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