Es war schon eine der teuersten Versicherungsarten überhaupt: die finanzielle Absicherung einer Berufsunfähigkeit (BU). Und nun wird der Berufsunfähigkeitsschutz laut Medienberichten in diesem Jahr sogar noch um bis zu zehn Prozent teurer. Dieser Schutz kann dennoch sinnvoll sein. Zwar gibt es die gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Diese springt unter Umständen in einem Notfall ein. Betroffene erhalten dann eine Rente, aber nur bei »voller Erwerbsminderung« - wenn sie also wegen Krankheit oder Behinderung weniger als drei Stunden täglich arbeiten können. Der Gesetzgeber zahlt dann im Schnitt etwa 800 Euro. Bei einer teilweisen Erwerbsminderung, wenn der Betroffene nicht mehr als sechs Stunden täglich arbeiten kann, ist es die Hälfte.
Auch eine private Berufsunfähigkeitsversicherung kann im Notfall enttäuschen. An sich kann eine BU-Police aber Status und Einkommen des tatsächlich ausgeübten Berufes einigermaßen absichern. Dem entgegen leistet die private, preisgünstigere Unfallversicherung nur, wenn sich ein Unfall ereignet hat, der zu einem körperlichen Schaden führte. In der Regel erbringen diese Verträge aber keine Leistung bei Krankheiten.
Hauptgrund für Berufsunfähigkeit in Deutschland sind aber Krankheiten, wie beispielsweise Gelenkverschleiß. Jede dritte BU-Rente wird mittlerweile bewilligt, weil die Psyche eine Ausübung des Berufes verhindert, so der Verband der Versicherungen (GDV). Die Nachwirkungen der Pandemie dürften den bemerkenswerten Trend zu psychischen Erkrankungen noch verstärken.
Freilich sollten Menschen in kaufmännischen Berufen oder Ingenieure vor Vertragsabschluss überlegen, ab wann sie eigentlich »berufsunfähig« wären. Im Regelfall dürften sie auch nach herben Schicksalsschlägen noch in der Lage sein, ihren Job zu erledigen.
Dagegen besteht ein großer Bedarf für zusätzlichen Schutz vor allem in gefährlichen Berufen. Jeder zweite (!) Gerüstbauer und Dachdecker bezieht am Ende seines vorzeitigen Arbeitslebens eine staatliche Erwerbsunfähigkeitsrente. Metzger, Fliesenleger und Zimmerer leben ebenfalls gefährlich. Auch hier führen hauptsächlich Erkrankungen zum beruflichen Aus.
Grundsätzlich wäre für Lohnabhängige eine Berufsunfähigkeitsversicherung also erste Wahl. Sie zahlt dem Versicherten eine vom Beitrag abhängige monatliche Rente - wenn er seinen bisherigen oder einen vergleichbaren Beruf zu weniger als 50 Prozent ausüben kann. Doch eine solche Police ist meistens sehr teuer.
Für besonders gefährdete Berufsgruppen und/oder wenn eine Vorerkrankung vorliegt, ist eine BU-Versicherung fast unerschwinglich. Außerdem wird immer wieder die Regulierungspraxis der Versicherer kritisiert.
Vor diesem Hintergrund überraschte die Zeitschrift »Finanztest« (Ausgabe 6/2021) mit ihrem Vorschlag, private Berufsunfähigkeitsversicherungen schon für Schülerinnen und Schüler abzuschließen, und zwar bereits ab dem zehnten Lebensjahr. Die Zeitschrift wird von der Stiftung Warentest herausgegeben, was dem Vorschlag verbraucherpolitisch Gewicht verleiht.
»Finanztest« rät allgemein dazu, möglichst zeitig einen Vertrag abzuschließen: sogar dann schon, wenn der oder die Versicherte noch gar keinen Beruf hat. Das könne sich lohnen. Der Grund: Kinder und Jugendliche seien meist ohne schwere Vorerkrankungen, die den Schutz verteuern oder ganz ausschließen können. Beim Antrag auf einen BU-Schutz müssen die Interessierten für die letzten fünf Jahre Krankheiten sowie ambulante Behandlungen angeben. Krankenhausaufenthalte werden oftmals sogar schon für zehn zurückliegende Jahre abgefragt.
Schülerinnen und Schüler sind meist ohne derartige Krankheitsverläufe - und können folglich leichter abgesichert werden. Laut »Finanztest« kann das sogar finanzielle Vorteile bieten: Man zahle dabei insgesamt nicht mehr, als wenn man die Police zehn Jahre später abschließe. Immerhin mindestens 400 Euro pro Jahr sind aber auch für einen Schüler-BU-Vertrag anfangs fällig. Später kann der Beitrag sich noch verdoppeln.
Ob ein solch extremes Sicherheitsdenken der Entwicklung des Kindes nicht mehr schadet als nutzt, müssen Eltern für sich entscheiden. Zu klären ist gegebenenfalls, ob der Versicherer die Tätigkeit »Schüler« laut Vertrag überhaupt als Beruf versteht und wenn ja unter welchen Bedingungen.
Manche Anbieter, darauf weist das Fachblatt »Versicherungsbote« hin, sehen die Tätigkeit als Schüler nachvollziehbarerweise nicht als vollwertigen Beruf an und erbringen später folglich nur eine geringe Leistung. Außerdem sei beispielsweise ein Vertrag, der erlischt, wenn jemand in eine neue Lebensphase eintritt und das nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraumes meldet, nicht empfehlenswert.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1154170.umstrittener-vorstoss-der-verbraucherschuetzer.html