Zu glücklich für Gold

Der deutsche Judokämpfer Eduard Trippel stürmt lachend und weinend zu Silber

  • Christoph Leuchtenberg, Tokio
  • Lesedauer: 3 Min.

Eduard Trippel stand mit der Silbermedaille um den Hals in der heiligsten Halle des Judosports. Und lachte. Und weinte. Und lachte wieder. Nach seinem grandiosen Olympia-Coup im legendären Nippon Budokan schaffte es Trippel einfach nicht, aus der Gefühlsachterbahn auszusteigen. »Das war einfach meine Masche heute. Ich wollte mit einem Lächeln durch diesen Wettkampf gehen«, sagte der 24 Jahre alte Rüsselsheimer völlig aufgekratzt. »Aber als ich die Medaille sicher hatte, war ich vielleicht schon zu happy für das Finale ...«

Mit seinem emotionalen Sturmlauf bis ins olympische Goldduell hatte der Außenseiter den Budokan im Sturm erobert und den deutschen Judoka nach vielen Tagen der Enttäuschungen die ersehnte erste Medaille in Tokio beschert. Erst der georgische Europameister Lascha Bekauri stoppte den Höhenflug des Senkrechtstarters - auch weil der Deutsche schon nach dem Halbfinalsieg über den früheren Vizeweltmeister Mihael Žgank aus der Türkei völlig von seinen Gefühlen übermannt worden war.

Gemeinsam weinen mit dem Heimtrainer

»Ich habe nach dem Halbfinale meinen Heimtrainer Andreas Esper angerufen. Er hat nur noch vor Freude geweint, ich habe nur noch geweint«, sagte Trippel, der zuvor nie bei einer großen Meisterschaft eine Medaille gewonnen hatte. »Jetzt ärgert mich das ein bisschen, ich hätte den Georgier schlagen können. Aber ich war einfach so happy, dass ich der erste deutsche Mann seit Ole Bischof bin, der eine Judomedaille gewinnt.«

Jener Bischof, der seinem Gold von Peking 2008 vier Jahre später in London noch die Silbermedaille hatte folgen lassen, fieberte daheim ebenso mit wie Trippels Trainer. »Er war heute absolut genial, auch wenn er am Ende durch eine kleine Unachtsamkeit verloren hat. Es war sein Tag«, bilanzierte Ole Bischof.

Dass Trippel, ausgerechnet der jüngste Mann im deutschen Team, letztlich im Freudentaumel vielleicht den ganz großen Coup wegschenkte, wollte ihm aber keiner übel nehmen. Zu fröhlich und authentisch und wie ein Wasserfall plapperte er nach seinem Auftritt daher. »Ich habe noch niemand anderen gesehen, der so was gemacht hat wie ich, der so motiviert in einen Kampf reingeht«, meinte er. »Wovor soll ich denn auch Angst haben? Ich kann Judo, ich werde nicht auf der Matte sterben.«

Ein Showman ist er durchaus. Dazu passt eines seiner diversen Rituale vor den Kämpfen. Auf die Brust schlägt er sich, ruft: »Ehre und Stärke!« Dass das kitschig wirke, wisse er, aber: »Das ist aus meinem Lieblingsfilm, Gladiator. Vor dem Kampf stelle ich mir das immer vor, dass ich in eine solche Arena komme, und alle Zuschauer jubeln mir zu.«

Vier WM-Medaillengewinner besiegt

Wäre die Judo-Kultstätte Budokan an diesem Mittwoch mit 14 000 Fans voll besetzt gewesen, sie hätten allen Grund zum Jubeln gehabt. Außenseiter Trippel legte reihenweise Favoriten aufs Kreuz. Die Ex-Weltmeister Nemanja Majdov aus Serbien und Gwak Dong-Han aus Südkorea, danach im Viertelfinale den ungarischen WM-Dritten Krisztián Tóth und schließlich den ehemaligen Vizeweltmeister Žgank - nur Bekauri erwies sich als zu abgezockt. »Ich bin aber noch jung, zwei olympische Zyklen mache ich noch«, versprach Trippel. »Das soll erst der Anfang gewesen sein.«SID/nd

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