nd-aktuell.de / 03.09.2007 / Wirtschaft und Umwelt

Billigtextilien um jeden Preis

Vorwürfe gegen Tchibo, Aldi, Lidl und Nobelmarken Pierre Cardin oder Levis

Mona Grosche
In der Textilbranche tobt ein gnadenloser Preiskampf, vor allem seit Anfang 2005 die Quotenregelung weitgehend gefallen ist. China ist der große Gewinner dieser Entwicklung.
Chinas Anteil an der Weltproduktion liegt bereits bei 25 Prozent. Denn Arbeit ist billig, Arbeitsrechte gibt es fast nur auf dem Papier, die Produktivität ist hoch und das Land bietet alles von der Baumwollproduktion bis zur Endverarbeitung. Zwischentransporte aus anderen Ländern entfallen. Direkte Folge des Preiskampfes: Egal ob Rumänien, Indien oder El Salvador - der Druck auf Lieferzeiten und Stückpreise wird von den Zulieferfirmen direkt an die Arbeitenden (90 Prozent sind Frauen) weitergegeben. Ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht in Sicht. Den Kuchen wollen sich immer mehr Konzerne teilen, obwohl weniger Textilien verkauft werden. Discounter wie Aldi oder Lidl mischen seit Jahren kräftig auf dem Textilmarkt mit. Auch Tchibo bietet »jede Woche einen neue Welt« - u.a. mit Bekleidung. Nahezu unbemerkt hat sich der »Wohlfühlkonzern« zum zweitgrößten Konsumgüterunternehmen in Deutschland gemausert. Bekleidung der Hausmarke TCM brachte 2005 eine Millliarde Euro Umsatz - Tendenz steigend. Doch wer, wie die globalisierungskritische CCC (Clean Clothes Campaign) die Zulieferfirmen in Bangladesch unter die Lupe nimmt, kommt zu keinem Wohlfühl-Ergebnis: »Bei Tchibo werden Menschen- und Arbeitsrechte massiv missachtet und verletzt«, so das Fazit einer Untersuchung der CCC. Rund zwei Millionen Menschen arbeiten in Bangladesch nicht nur für Tchibo, sondern für alle großen Label. Ihre Löhne zwischen 10 und 23 Euro im Monat reichen ohne Überstunden nicht zum Überleben. Also schuften sie 7 Tage die Woche bis zu 100 Stunden. Arbeiterinnen werden sexuell belästigt, Sprechen ist verboten, Toilettenbesuche sind reglementiert. Immer wieder fordern Brände zahlreiche Opfer, denn die Arbeiterinnen werden in den Fabriken eingeschlossen. Auch der öffentlichkeitsscheue ALDI-Konzern, wo 75 Prozent aller deutschen Haushalte einkaufen, belegt bereits Platz 8 im deutschen Textileinzelhandel. Genaue Umsatzzahlen werden, ebenso wie die Lieferstrukturen, möglichst unter Verschluss gehalten. Dennoch gelang es dem Südwind-Institut, Zulieferer von ALDI in Indonesien und China ausfindig zu machen. Eine aktuelle Broschüre präsentiert das ähnlich verheerende Ergebnis wie bei Tchibo. Laut Südwind werden in den chinesischen Firmen nicht einmal niedrige einheimische Standards eingehalten. Selbst Kün-digungen sind oft nicht »erlaubt« - wer weg will, muss sich nachts ohne Lohn wegschleichen. In den indonesischen Fabriken bekommen 90 Prozent der Arbeiterinnen Löhne unter dem Existenzminimum und werden zu Überstunden gezwungen. Von Sicherheitsstandards, Arbeitsverträgen oder Gewerkschaften können auch sie nur träumen, so das Südwind-Fazit. Dennoch ist unmenschliche Ausbeutung kein »Privileg« der Billiganbieter. Wer zu Pierre Cardin oder Levis greift, bekommt Ware aus den gleichen Fabriken, nur bezahlt er mehr dafür. Organisationen wie CCC setzen deshalb auch auf öffentlichen Druck: Informierte Konsumenten sollen »ihre« Markenproduzenten oder Discounter aufordern, soziale Standards bei den Zulieferern zur Pflicht zu machen. Solche Kampagnen sorgten bereits dafür, dass einige Unternehmen Selbstverpflichtungen und Verhaltenskodices aufgestellt haben. Damit diese nicht nur auf Papier stehen, braucht es unabhängige Instanzen wie die »Fair Wear Foundation«. Deren einziges deutsches Mitglied ist bislang der Öko Versand Hess Natur, dessen Preise allerdings weit über denen der Discounter liegen. Dass faires Einkaufen auch bezahlbar sein kann, zeigt ein Projekt der Gewerkschaft FAU, die T-Shirts direkt von den Produzenten der »Cooperative Maquiladora Mujeres de Nueva Vida Internacional« in Nicaragua bezieht.