nd-aktuell.de / 04.08.2021 / Kultur / Seite 7

Bananarama: »Cruel Summer«

Frank Jöricke

Hi-Fi? Höchste Klangtreue? Wiedergegeben per 10 000-Dollar-Lautsprecher? Damit wusste Berry Gordy, der Chef des Plattenlabels Motown, nichts anzufangen. Seine Vorgabe an die Produzenten im Studio: Jeder Song musste sich im Transistorradio – damals das meistgenutzte Wiedergabegerät für Musik – großartig anhören. Dabei kam es nicht auf die Feinheiten an, nicht auf filigrane Details, sondern auf den Gesamteindruck. Das Lied musste – im wörtlichen Sinn – knallen. Deshalb zählten keine sonoren Bässe und keine kristallklaren Höhen, sondern nur die Mitten. Und die hatten gefälligst zu scheppern zu lärmen, zu plärren.

Sogar dann noch, als die Technik längst viel weiter war. Der Funktitel »Brick House« der Commodores dokumentiert dies eindrucksvoll. Er stammt aus dem Jahr 1977. Doch er klingt, als wäre er in den frühen 60ern aufgenommen worden. Genau diesem krawalligen Rumms-Sound, der auf Anhieb gute Laune macht, verdankte auch die englische Frauenband Bananarama in den 80er Jahren ihren Erfolg. Bei ihren Songs geht es nicht um versteckte Finessen, die sich beim sechzehnten oder siebzehnten Hören erschließen, sondern um den ersten Eindruck. Und der ist fulminant. Neulich, an einem der warmen Sommerabende, kam ich an einem Haus vorbei, aus dessen Dachgeschoss ein Radio kreischte. Es lief »Cruel Summer«. Und mit einem Mal bekam ich Lust, auf der Straße zu tanzen.