Kein Bock auf Autos

Aktivisten für autoreduzierte Innenstadt schließen ihre Unterschriftensammlung vorzeitig ab

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Stimmung ist gut an diesem Donnerstag bei den Aktivist*innen der Initiative Berlin autofrei. »Die Sammelphase hat gezeigt, dass viele Berliner*innen die Idee einer lebenswerteren, gesünderen, flächengerechteren und klimafreundlicheren Stadt - teils euphorisch - unterstützen«, sagt Nina Noblé von Berlin autofrei zu »nd«, kurz vor Übergabe der Unterschriften für ein gleichnamiges Volksbegehren an die Landeswahlleiterin. Mehr als 50 333 wurden in den vergangenen zwölf Wochen gesammelt. »Da lediglich 20 000 gültige Stimmen erforderlich sind, gehen wir schon vor endgültiger Auszählung davon aus, dass der Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens erfolgreich ist«, so Noblé.

»Viele Menschen kamen einfach auf uns zu und haben unterschrieben, weil sie uns schon kannten«, berichtet Noblé. »Das hat mich schon überrascht, uns gibt es ja in der Öffentlichkeit erst seit einem Dreivierteljahr, und wir mussten uns ohne Partei oder Nichtregierungsorganisation im Hintergrund Gehör verschaffen.« Rund 300 Sammler*innen, aufgeteilt in 40 Kiezteams, waren demnach im Einsatz. Am Donnerstag kamen dann auch zahlreiche Unterstützer*innen in die Klosterstraße nach Mitte, um der Senatsinnenverwaltung die Unterschriften zu übergeben.

Geht es nach Berlin autofrei, sollen innerhalb des S-Bahn-Rings nur noch Vertreter*innen der öffentlichen Daseinsfürsorge mit dem Auto unterwegs sein dürfen, dazu jene, die zwingend darauf angewiesen sind. Das seien etwa Polizei, Müllabfuhr, mobilitätseingeschränkte Personen oder Handwerker*innen, die ihr Werkzeug schlecht in der S-Bahn transportieren können. Ausnahmen soll es auch für den zu langen Arbeitsweg geben. »Autofrei bedeutet autoreduziert«, stellt Noblé klar. »Wir wollen stattdessen Platz für Fußgänger, Radfahrer und den Öffentlichen Personennahverkehr.«

Von den Ausnahmen abgesehen, sollen alle anderen Berliner*innen ihr Auto nur noch höchstens zwölfmal im Jahr für jeweils 24 Stunden privat in der Innenstadt nutzen dürfen. »Uns geht es darum, dass man sich die Frage stellt: Ist diese Fahrt gerechtfertigt? Ist es gerechtfertigt, dass eine Person so viel Platz braucht und auch noch Feinstaub produziert?«, so Noblé.

Um 65 Prozent möchte die Initiative den Autoverkehr in Berlin reduzieren. Nur die Hälfte der Berliner habe schließlich ein Auto. Die Menschen innerhalb des S-Bahn-Rings legen sowieso nur 17 Prozent der Fahrten mit dem Pkw zurück. »Das Schneckentempo mit dem der Berliner Senat das Mobilitätsgesetz und die dringend erforderliche Verkehrswende umsetzt, kann so nicht weitergehen« sagt Noblé und will weiter »Druck aufbauen«.

Dazu haben die Aktivist*innen bereits ihren Gesetzentwurf vorgelegt. Nun sind erst mal die Landeswahlleiterin, der Senat und dann das Abgeordnetenhaus am Zug. Sollte der Entwurf nicht angenommen werden, kann die Initiative die zweite Phase für ein Volksbegehren starten, in der knapp 180 000 Unterschriften in vier Monaten gesammelt werden müssen. »Ab März oder April 2022 könnten wir dann mit dem Volksentscheid starten«, so Noblé.

Berlins SPD-Chefin und -Spitzenkandidatin Franziska Giffey hatte jüngst bereits klargemacht, was sie von solchen Plänen hält: »Eine 3,7-Millionen-Menschen-Stadt völlig autofrei zu denken, halte ich für wirklichkeitsfremd.« Konkurrentin Bettina Jarasch, die Spitzenkandidatin der Grünen, äußerte sich da schon wohlwollender: »Berlin autofrei gibt Rückenwind, doch unsere Vision ist eine andere«, so Jarasch am Mittwoch. »Wir wollen so wenige Autos wie möglich in der Innenstadt - und nur für die, die es brauchen.«

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