nd-aktuell.de / 09.08.2021 / Kultur / Seite 14

Boz Scaggs: »Lowdown«

Frank Jöricke

Können Schwarze besser tanzen? Haben sie den Rhythmus im Blut? Das sind die rassistischen Klischees der Kulturindustrie. John Travolta würde dem entschieden widersprechen. Und auch der Gitarrist und Sänger Boz Scaggs würde Einspruch erheben. Er ist eine Art Barack Obama des Rhythm and Blues – nur andersherum. Er war der Weiße, der die Segregation der Genres überwand.
Bis Boz Scaggs auftauchte, war Soul eine ausschließlich afroamerikanische Domäne (so wie Rock eine weiße war). Bei den Grammy-Verleihungen für den besten Rhythm-and-Blues-Song des Jahres gewannen Größen wie Otis Redding (»Sittin’ on the dock of the bay«), Bill Withers (»Ain’t no sunshine«), The Temptations (»Papa was a rollin’ stone«) und Stevie Wonder (»Superstition«).

Alldieweil lief Boz Scaggs sich warm. Binnen eines Jahrzehnts veröffentlichte er sechs Alben, mit denen er sich nach und nach in Richtung Soul bewegte. Album Nummer 7, »Silk Degrees«, brachte dann endlich den Durchbruch. Ein Werk, das von der ersten bis zur letzten Sekunde vibriert. Das Bemerkenswerte daran: Ein Song wie »Lowdown« (mit dem Boz Scaggs 1977 als erster Weißer überhaupt den Grammy Award für den besten Rhythm-and-Blues-Song gewann) funktioniert auf der Bühne noch besser als im Studio. Weil man spürt, dass Scaggs und seine Mannen, unabhängig von der Hautfarbe, tatsächlich den Groove in sich haben.