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Mitbestimmung in der Warteschleife

Mieterbeiräte tagen zur mangelnden Demokratisierung der Wohnungsbaugesellschaften

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Diesen Dienstag werden Mieterbeiräte der sechs landeseigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaften zu einer Konferenz zusammenkommen. Unter dem Motto »Die Mieterbeiräte als wichtiger Bestandteil kommunaler Wohnkultur« lädt eine Initiativgruppe bereits zum fünften Mal dazu ein. »Wir wollen das Interesse der Mieter an einer sozial gerechten und sicheren Mietenpolitik bekunden und das Bedürfnis verdeutlichen, als Mieter und Mietervertretung wahrgenommen und respektiert zu werden«, erklärt Detlev Lezim, Mieterbeirat beim Kundenzentrum Karlshorst der Howoge. Mehr Unterstützung, mehr Mitsprache und eine sinnvolle Verzahnung der für die Quartiersebene gewählten Gremien mit den auf Konzernebene angesiedelten Mieterräten sind die Anliegen, mit denen es auch unter den bald fünf Jahren Rot-Rot-Grün nicht vorangekommen ist.

Ein Beispiel, wie es sein könnte, ist die Mietervertretung des Neuen Kreuzberger Zentrums am Kottbusser Tor. Denn nach zähen Verhandlungen konnte das Gremium, das sich dort Mieterrat nennt, Anfang 2019 eine Kooperationsvereinbarung mit der landeseigenen Gewobag schließen - rund anderthalb Jahre nach der Kommunalisierung. »Es war ein jahrelanger Lernprozess. Ohne die Moderation der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wäre das nicht zustande gekommen«, berichtet Mieterrats-Sprecherin Marie Schubenz im Gespräch mit »nd«. Sie ist auch Teil der Initiative kommunal & selbstverwaltet Wohnen, die sich für eine Demokratisierung der Wohnraumversorgung einsetzt.

»Es läuft ziemlich gut mit der Kooperation auf Augenhöhe«, sagt Schubenz. Die gemeinsame Neuplanung eines großen Spielplatzes auf dem Gelände ist bereits abgeschlossen. »Dabei sieht man, wie eine Planung von unten aussehen kann«, so Schubenz. Und auch bei der Vermietung von Gewerberäumen gibt es ein Mitspracherecht. Wenn es sich um einen sensiblen Bereich im Innenhof handele, wird dann beispielsweise eine laute Nachtnutzung ausgeschlossen. Auch soll ein Teil der Gewerbeflächen an nichtkommerzielle Mieter gehen. Schubenz sieht Vorteile für beide Seiten. »Die Kooperation führt auch dazu, dass die Mieter*innen sich mehr identifizieren mit dem Ort. Dadurch entsteht auch eine ganz andere Form von Verantwortung.«

Am Kottbusser Tor wissen sie, wie es sonst oft läuft, zum Beispiel bei der energetischen Sanierung, die vor Abschluss der Kooperationsvereinbarung geplant worden ist. »Was den Leuten hier helfen würde, wären Lärmschutzfenster. Die kommen aber nicht, weil es der Gewobag zu teuer ist«, sagt Schubenz. Verhandelt werde mit dem Unternehmen auch über die Ausweitung der Kooperation auf die Häuser auf der Südseite des Platzes. Bisher beißt der Mieterrat dabei auf Granit.

Ein Rückschlag war die gescheiterte Novelle des Wohnraumversorgungsgesetzes. »Das Wort Mitbestimmung war zu viel, die Mieterinnen und Mieter der landeseigenen Wohnungsunternehmen sollen sich aufs Beschwerdemanagement beschränken und sich nicht an den für sie wichtigen Entscheidungen über Bauen, Modernisierung und Instandhaltung beteiligen wollen«, sagt Jan Kuhnert zu »nd« über die von der SPD übernommene Position der Wohnungsbaugesellschaften. Bis zum Jahreswechsel war er einer der beiden Vorstände der Wohnraumversorgung Berlin.

»Die Linke bedauert, dass unser Vorschlag für die gesetzliche Verankerung der Tätigkeit der Mieterbeiräte als wichtiges Instrument der Mietermitbestimmung an der Ablehnung des Koalitionspartners SPD gescheitert ist«, sagt Linke-Wohnungspolitiker Michael Nelken zu »nd«.

Bereits die Verhandlungen über eine Neufassung der Kooperationsvereinbarung mit dem Senat hätten »deutlich gezeigt, dass die Unternehmensleitungen die besondere Aufgabe der öffentlichen Wohnungswirtschaft bei der Lösung der Probleme der sozialen Wohnraumversorgung nur widerwillig akzeptieren«, so Kuhnert. Gemeinsam mit dem Stadtsoziologen Andrej Holm setzt er sich für die Schaffung einer neuen Anstalt ein, um die Steuerung der Wohnungsunternehmen zu optimieren und »durch Stärkung der Kooperationsrechte ein neues Verhältnis von Unternehmen und Mieterschaft zu entwickeln«.

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