nd-aktuell.de / 03.09.2021 / Politik / Seite 6

Anti-Terrorkrieg fordert eine Million Tote

20 Jahre Krieg gegen den Terror: Eine Studie über die Folgen des US-Kampfeinsatzes

Birger Schütz

Der von den USA geführte Krieg gegen den Terror hat weltweit fast eine Million Menschen das Leben gekostet und insgesamt mehr als acht Billionen Dollar Kosten verursacht. Zu dieser Bilanz kommt eine Studie des Projekts Cost of War (Kosten des Krieges) der Brown University im US-Bundesstaat Rode Island. Die Untersuchung erschien an diesem Mittwoch, rund anderthalb Wochen vor dem 20. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001, nach denen der damalige US-Präsident George W. Bush zum internationalen Kampf gegen den Terror aufgerufen hatte.

In dem Bericht untersucht ein Team um die Politikwissenschaftlerin Neta Crawford und die Anthropologinnen Catherine Lutz und Stephanie Savell die menschlichen und materiellen Kosten der US-geführten Kriege im Irak und in Afghanistan sowie die damit verbundenen Konflikte in Syrien und Pakistan und in weniger im Fokus stehenden afrikanischen Kriegsschauplätzen wie Somalia.

Nach Schätzungen der Forscher hat der Krieg gegen den Terror zwischen 879 000 und 929 000 Menschen direkt getötet - darunter etwa 387 000 Zivilisten. Allein in den Kampfhandlungen in Afghanistan seien in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwa 241 000 Menschen ums Leben gekommen. Rund 71 000 von ihnen waren Zivilisten.

»Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir die enormen und vielfältigen Folgen der vielen US-Kriege und Anti-Terror-Operationen seit dem 11. September angemessen berücksichtigen, während wir innehalten und über all die verlorenen Menschenleben nachdenken«, schreibt Neta Crawford auf den ersten Seiten des Berichts.

An der Zählung der Forscher gibt es auch Kritik: Denn die Gesamtzahl der Todesopfer, die in den Konflikten nach dem 11. September 2001 starben, ist in den USA Gegenstand einer heftigen Kontroverse, in der sich gegenseitige Interessen von Politik und Wissenschaft oft scharf überschneiden. So erfasst das Pentagon zwar die eigenen Todesfälle und Verletzungen in Afghanistan und dem Irak, kann - oder will - aber keine Statistik über die Verluste und Todesfälle unter feindlichen Kämpfern und Zivilisten vorlegen. Dem stehen Wissenschaftler wie die Physiker für soziales Gewissen gegenüber, welche allein die Summe der in den Kriegen in Irak, Afghanistan und Pakistan getöteten Menschen auf mehr als eine Million schätzen.

Die wirtschaftlichen Gesamtkosten für die Kampfhandlungen beziffern die Wissenschaftler auf eine Gesamtsumme von rund 5,8 Billionen Dollar. Darunter fallen beispielsweise Ausgaben für direkte militärische Operationen - etwa 2,3 Billionen Dollar in Afghanistan und Pakistan, 2,1 Billionen im Irak und in Syrien sowie 355 Milliarden Dollar in Somalia und anderen Regionen Afrikas - aber auch indirekte Kosten wie die Ausgaben für die Terrorabwehr im amerikanischen Inland und Zahlungen an amerikanische Veteranen und Kriegsversehrte.

Auch mit dem Abzug aus Afghanistan und dem für Ende dieses Jahres angekündigten Ende des US-Kampfeinsatzes im Irak würden die Kosten für die USA nicht enden, rechnen die Wissenschaftler von der Brown University vor. So schätzen sie die Höhe der künftigen finanziellen Verpflichtungen für die medizinische Versorgung der US-Veteranen und Kriegsversehrten auf etwas mehr als 2,2 Billionen Dollar - und kommen so auf die Gesamtsumme von rund acht Billionen US-Dollar.

Dazu kommen weitere Gelder für Kampfhandlungen. Denn trotzt des schmachvollen Rückzugs aus Afghanistan scheint der Krieg gegen den Terror weiterzugehen: So hat die Biden-Administration bereits in diesem Frühjahr signalisiert, dass sie den nach einer historischen Region in Zentralasien benannten Islamischen Staat-Khorasan (IS-K), der in Afghanistan an Einfluss gewinnt, weiterhin mit Drohnen und anderen Mitteln bekämpfen wird.