nd-aktuell.de / 06.09.2021 / Kultur / Seite 13

Alles wie früher

Ist doch nur Politik – zur Ästhetik des Wahlkampfs (3): Die AfD in der Trotzphase

Erik Zielke

»Deutschland. Aber normal« heißt der Wahlkampfslogan der AfD. Hauptsache unauffällig, denkt man sich. Früher noch Sprüchlein auf NPD-Niveau, jetzt hätte man gerne auch ein paar Stimmen von der schwächelnden CDU. Mal geht’s um die Gender-»Sprachverhunzung«, häufiger noch um die »Verbotspartei« Grüne.

Das wirkt alles etwas müde. Ein Skandal jedenfalls sind diese Plakate nicht. Die Widerwärtigkeit liegt oft im Detail. Denkt man vier Jahre zurück, erinnert man sich, mit weitaus Schlimmerem konfrontiert gewesen zu sein. Bildmächtig und mit knallharten Stammtischparolen wurden Frauenverachtung und Rassismus offen nach außen kommuniziert. Hinzu kam der Aufreger, als die heute fast vergessene Frauke Petry[1] sich mit dem eigenen, erst einige Wochen alten Baby für ein Plakat der Partei ablichten ließ, in der sie nach deren Einzug in den Bundestag lieber gar nicht mehr Mitglied sein wollte.

Weil den eigenen Wählerinnen und Wählern wohl eigentlich nichts zuzutrauen ist – zumindest nichts Gutes –, gibt die Alternative für Deutschland auf einigen ihrer Plakate ihrer Klientel intellektuelle Hilfestellung und erklärt, was eins und eins macht: »Zwei für Deutschland«. Schlichte Ansagen sind bekanntlich das Steckenpferd dieser Partei.

Aber wer sind die zwei? Die Spitzenkandidaten von Rechtsaußen, ein Mann mit dem hübschen deutschen Namen Tino Chrupalla und die Parteispendenfachfrau Alice Weidel[2].
Leider ist es den Marketingexperten bei einem der Plakate nicht mal gelungen, die Namen auf dem Bild richtig zuzuordnen, sodass unter Weidel Chrupalla steht und umgekehrt. Macht nix, ähneln sich beide doch frappierend.

Weidel trägt darauf in herrschaftlicher Pose zwischen ihren fast Merkel-Rauten-artig – aha! – gefalteten Händen einen Wegwerfbecher, selbstverständlich mit einem Plastedeckel versehen, um es den bösen Grünen und allen verhassten Gutmenschen aber mal so richtig zu zeigen. Die Erkenntnis ist nicht neu: Parlamentarische Politik kann man auch auf Bundesebene so betreiben, als wäre man mittendrin in der frühkindlichen Trotzphase.

Chrupalla, der sich wohl als das zeigen will, was er für einen modernen Mann hält, hat in seiner linken Hand ein Tabloid, das er auf verkrampfteste Weise umklammert. Vielleicht aufgrund seiner Unfähigkeit, das Gerät zu bedienen, formt er die rechte Hand zur Pistole. Es ist der Jammer der Menschheit, dass Infantilität und Aggressivität so oft in eins fallen.

Sie mit dem strafenden, er mit dem wütend-fragenden Blick sind allerdings nur im Hintergrund zu sehen. Geheimnisvoll zeigt sich uns auf diesem Plakat vorne links eine schemenhafte Rückenansicht. Ist da einer blöd durchs Bild gelaufen? Oder ist das das Böse, der Flüchtling, der offen schwule Mann, der elitäre Ökofaschist, der sein Heißgetränk aus Keramiktassen trinkt? Überlege selbst, Wahlvolk!

Chrupalla und Weidel, die »zwei für Deutschland« (oder war es doch wieder die Müllabfuhr?), verkörpern das, was Alternative heißt, aber keinesfalls eine ist. Handelt es sich hier nicht um eine regelrechte AfDer-Partei, einen Haufen von Analcharakteren: Neurotiker mit zwanghaftem Verlangen nach Sauberkeit und Recht und Ordnung[3] also, kleine Sadisten, die doch nur zum kläglichen Winseln neigen? Die Partei nennt das »Deutschland. Aber normal« und meint damit ihr Ideal eines neuen Preußentums. Für’n Arsch.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1155823.frauke-petry-gescheiterte-frauke-petry.html?sstr=Frauke|petry
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1152400.afd-spitzenkandidat-innen-fluegel-kandidaten-setzen-sich-durch.html?sstr=Chrupalla
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/947013.aufbruch-ins-unbewusste.html?sstr=anale|phase