Ab sofort mit einem »Vorläufigkeitsvermerk«

Lohnsteuererklärung für Rentnerinnen und Rentner

  • Dr. Rolf Sukowski
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Fiskus ergänzt seit September 2021 die Steuerbescheide für Rentnerinnen und Rentner. Das Finanzamt stattet die Bescheide mit einem sogenannten »Vorläufigkeitsvermerk« aus. Dieser Vermerk bezieht sich auf die Rentenbesteuerung.

Die Folge daraus ist: Ruheständler, die der Auffassung sind, sie seien doppelt besteuert worden, müssen demzufolge nunmehr keinen Einspruch mehr einlegen. Allein bis Ende April dieses Jahres waren bei den Finanzverwaltungen rund 142 000 Einsprüche gegen ihre Steuerbescheide eingegangen.

Was bedeutet die Ergänzung?

Rentnerinnen und Rentner, die nach dem 1. September 2021 einen Steuerbescheid vom Finanzamt erhalten, finden diesen Vermerk auf ihrem Bescheid. Die Vorläufigkeit wird allen ab jetzt ausgestellten Bescheiden hinzugefügt, auch den Festsetzungen für zurückliegende Jahre (ab Veranlagungszeitraum 2005).

Das heißt aber auch: Bereits rechtskräftige Steuerbescheide bleiben davon unberührt. Wer in den letzten vier Wochen einen Bescheid erhalten hat, kann innerhalb der Einspruchsfrist beantragen, dass der Vorläufigkeitsvermerk noch mit aufgenommen wird.

Zudem erhalten Rentner ab jetzt auch diesen Hinweis im Finanzamtsbescheid:

»Sollte nach einer künftigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesfinanzhofs dieser Steuerbescheid Ihrer Auffassung nach hinsichtlich der Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG zu Ihren Gunsten zu ändern sein, benötige ich weitere Unterlagen von Ihnen. Von Amts wegen kann ich Ihren Steuerbescheid nicht ändern, weil mir nicht alle erforderlichen Informationen vorliegen.«

Hintergrund: doppelte Besteuerung

Wie ist das zu verstehen? Praktisch wird diese Hürde kaum ein Rentner nehmen können. Ganz grundsätzlich ist den Rentnerinnen und Rentnern zu raten, sich keine falschen Hoffnungen bezüglich einer Doppelbesteuerung zu machen: Eine doppelte Besteuerung kann es bis heute allenfalls in seltenen Einzelfällen geben. Gerichtlich nachgewiesen wurde noch kein einziger Fall.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg (Az. 1 K 937/19) hatte im März dieses Jahres faktisch so geurteilt, dass eine doppelte Besteuerung vorliegt, »wenn die einem Steuerpflichtigen voraussichtlich steuerunbelasteten Rententeilbeträge geringer sind als die von ihm aus versteuertem Einkommen entrichteten Altersvorsorgeaufwendungen.«

Erste Reaktion auf die BFH-Urteile

Dies ist die erste Reaktion der Finanzverwaltung auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (Az. X R 20/19 und Az. X R 33/19) zur doppelten Besteuerung von Renten. Ende Mai hatte das höchste deutsche Finanzgericht die Klagen von zwei Rentnern abgewiesen, die glaubten, ihre Renten seien doppelt besteuert worden. Ganz allgemein hatten die höchsten deutschen Finanzrichter in München jedoch vor einer »drohenden doppelten Besteuerung künftiger Rentnergenerationen« gewarnt.

Nach Lage der Dinge ist davon auszugehen, dass die nächste Bundesregierung die notwendigen Steuerreformen in Angriff nehmen wird.

Rechtlicher Hintergrund des Streits

Der Streit um eine doppelte Besteuerung ergibt sich aus der Rentenreform. Seit 2005 wird die Rente umgestellt auf die nachgelagerte Besteuerung. Das Prinzip dabei: Die Rentenzahlungen werden zunehmend besteuert. Parallel dazu verringert sich die Steuerbelastung im Erwerbsleben. Denn die Rentenbeiträge können zu einem immer höheren Anteil von der Steuer abgesetzt werden. Doch dieses Prinzip gerät jedoch zunehmend aus dem Gleichgewicht, weil die Steuerentlastungen im Erwerbsleben nicht Schritt halten mit der Steuerbelastung im Rentenalter. Spätestens bei Renteneintritt nach 2025 würde es nach dem bisherigen Rentenmodell zu einer generellen doppelten Besteuerung kommen.

An dieser Stelle ist ein Hinweis angebracht: Noch immer glauben viele Rentnerinnen und Rentner, sie müssten keine Steuern zahlen. Wenn sie dann einen Brief vom Finanzamt erhalten, ist mitunter viel Geld nachzuzahlen. Es macht daher Sinn, rechtzeitig einen Lohnsteuerhilfeverein oder einen Steuerberater aufzusuchen. Damit ist man auf der sicheren Seite.

Der Autor ist Leiter der Beratungsstelle Berlin der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer, Lohnsteuerhilfeverein mit Sitz in Gladbeck.

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