US-Demokraten bestehen Stimmungstest in Kalifornien

Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom hat einen Urnengang zu seiner Abwahl deutlich gewonnen. Zufrieden zurücklehnen sollte er sich dennoch nicht.

  • Jan Tölva, Berkeley
  • Lesedauer: 5 Min.

Kalifornien bleibt Demokraten-Hochburg, die Wähler haben gesprochen. Die Menschen im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaaat waren am Dienstag aufgerufen, in einer sogenannten recall election über eine mögliche Abwahl des demokratischen Gouverneurs Gavin Newsom zu entscheiden. Gleichzeitig sollten sie für den Fall seiner Abwahl über seinen designierten Nachfolger abstimmen.

Unter den über 40 Gegenkandidaten hatte sich hierbei bereits frühzeitig der Republikaner Larry Elder als derjenige mit den größten Erfolgsaussichten herauskristallisiert, und tatsächlich lag er am Ende mit über 40 Prozent der Stimmen vorn. Da jedoch gleichzeitig über 60 Prozent gegen eine Abwahl gestimmt hatten, nützt ihm dieser halbe Wahlsieg recht wenig. Es gilt jedoch als sicher, dass er nun versuchen wird, Newsom bei der regulären Gouverneurswahl im November 2022 erneut herauszufordern.

Eine erneute Kandidatur Elders dürfte die politische Landschaft Kaliforniens weiter polarisieren, da der bekennende Anhänger von Ex-Präsident Trump und hauptberufliche Radiotalkshowmoderator einen seinem Vorbild nicht unähnlichen Hang zu markigen Sprüchen und radikalen Forderungen hat. Obwohl er selbst schwarz ist, lehnt er die Black-Lives-Matter-Bewegung ab. Er hat sich mehrfach öffentlich transfeindlich geäußert und ist gegen jede Form von Mindestlohn. Er glaubt, Frauen wüssten grundsätzlich weniger über Politik als Männer und seien für die Politik ohnehin zu emotionsgesteuert. Dass eine ehemalige Verlobte ihm vorwirft, sie dazu gedrängt zu haben, sich »Larry‘s Girl« tätowieren zu lassen und sie bei einem Streit mit einer Waffe bedroht zu haben, ist da nicht wirklich überraschend.

Elder ist jedoch mehr als nur ein exzentrischer Selbstdarsteller. Er hat im Zuge des Wahlkampfs durchaus reale Probleme angesprochen und Themen aufgegriffen, bei denen bei vielen Menschen in Kalifornien ein hohes Maß an Unzufriedenheit besteht. Die Kritik Elders, aber auch der anderen Gegenkandidaten betrifft vor allem drei Themen: die anhaltende Dürre samt Waldbränden, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sowie die Handhabung der andauernden Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen. Bei Letzterem war Newsom selbst bei Parteifreunden arg in die Kritik geraten, als er Ende vergangenen Jahres mitten im Lockdown ohne Maske und Abstand halten an einem Geburtstagsdinner eines befreundeten Lobbyisten in einem Nobelrestaurant teilnahm und so den wohl nicht ganz unbegründeten Eindruck entstehen ließ, er selbst trinke Wein, während er anderen Wasser predigte.

Auch wenn der Sieg von Amtsinhaber Newsom am Ende relativ deutlich ausfiel, hat doch rund ein Drittel für seine Abwahl gestimmt. Im August sah es sogar lange Zeit so aus, als sei sein Verbleib im höchsten Amt des Staates ernsthaft in Gefahr. Doch geballte Parteiprominenz von Barack Obama über Bernie Sanders bis hin zu Präsident Joe Biden, die Newsom mit Auftritten halfen, sorgte dann für die Aktivierung der eigenen Basis.

Was viele demokratische Stammwähler in die Wahllokale trieb, war am Ende jedoch weniger ihre Zufriedenheit mit Newsom als vielmehr die Furcht vor den Implikationen seiner möglichen Abwahl auf Bundesebene, denn im Falle eines Ablebens der inzwischen 88-jährigen kalifornischen Demokraten-Senatorin Dianne Feinstein dürfte der Gouverneur über deren Nachfolge in Washington bestimmen. Da ein republikanischer Gouverneur sicher einen Republikaner ernennen würde, verlören die Demokraten ihre hauchdünne Mehrheit im Senat und Präsident Biden müsste sich vorerst von seinen durchaus ambitionierten Reformplänen verabschieden. Auch die Furcht davor, dass ein republikanischer Gouverneur sich ein Beispiel an den jüngsten Ereignissen in Texas nimmt und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch drastisch beschneiden könnte, dürfte im demokratischen Lager für einen Motivationsschub gesorgt haben.

Die Recall-Wahl ist zusätzlich mit den im November anstehenden Gouverneurswahlen in Virginia und New Jersey ein Test für die politische Stimmung im Land. Kalifornien ist eine Demokraten-Hochburg. Gouverneur Newsom gewann seine Wahl 2018 mit rund 24 Prozentpunkten Vorsprung. Joe Biden errang im Staat 2020 rund 29 Prozentpunkte mehr als Donald Trump. Wie hoch der Vorsprung der Nein-Stimmen sein wird, wenn alle Stimmen ausgezählt sind, wird von Analysten deswegen auch als Zeichen für den Enthusiasmus der Demokraten-Wähler mit Blick auf die Zwischenwahlen 2022 gesehen. Nach Auszählung von 66 Prozent aller Stimmen am Mittwochmorgen deutscher Zeit lag das »No«-Lager mit 30-Prozentpunkten vorne, doch diese Zahl könnte sich noch verringern. Angesichts knapper Umfragen im August hatten Beobachter laut über Probleme der Demokraten bei der Mobilisierung ihrer Anhänger nachgedacht. Das scheint sich nun nicht zu bestätigen.

Bei manchen der von Elders angesprochenen Problemen hat sich die Lage entchärft. Die Pandemielage ist zumindest in den urban geprägten Küstenregionen dank hoher Impfquote weitgehend entspannt, was sich auch auf die Wirtschaft positiv auswirkt. Im August sind in Kalifornien 100.000 neue Jobs entstanden und damit ein Viertel aller neuen Jobs in den gesamten USA. Entsprechend leiser ist die Kritik an Newsom und seiner Regierung geworden.

Auch bei den Waldbränden, die in diesem Jahr mehrere Monate früher begonnen haben als üblich, gab es in den vergangenen Tagen mehr gute als schlechte Nachrichten. Die Eindämmung der Großbrände geht zügig voran und mehrere Evakuierungsanordnungen konnten aufgehoben werden. Bei der durch die Klimakrise verstärkten extremen Dürre jedoch ist weiterhin keine Entspannung in Sicht.

Die Landwirtschaft, vor allem im Central Valley, wo ein Viertel der gesamten Nahrungsmittel der USA angebaut werden, leidet unter den Wasserrationierungen. Gleichzeitig jedoch drohen die Mündungsbereiche der großen Flüsse zu versalzen, wenn ihnen noch mehr Wasser entzogen wird. Hier und in der Wohnungsfrage schlüssige Antworten zu finden, die allen Bedürfnissen gerecht wird, dürfte Newsoms größte Herausforderung für die verbleibenden 14 Monate seiner Amtszeit werden.

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