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Stern im Namen

In Dresden schlägt die Umbenennung von Kunstwerken hohe Wellen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Der junge Mann trägt schwer an seiner wertvollen Last. 16 teils große Smaragde präsentiert die 1723 von Balthasar Permoser aus dunklem Birnbaumholz geschaffene Figur auf einer Schale. Sie gehört zu den bekanntesten Exponaten des Grünen Gewölbes in Dresden - und ist seit Kurzem unter einer veränderten Bezeichnung im Online-Katalog der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) zu betrachten. Aus der Bezeichnung »Mohr mit der Smaragdstufe« wurde: »›*** mit der Smaragdstufe‹ (historische Bezeichnung)«.

Es ist nicht der einzige Titel eines Exponats, der in den Dresdner Sammlungen verändert und teils mit Sternchen versehen wurde. Bei 143 Objekten in Grünem Gewölbe, Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie Alte Meister sei ein »diskriminierender Wortlaut« aus dem Titel entfernt worden. Das geht aus einer Antwort von Kunstministerin Barbara Klepsch (CDU) auf eine Anfrage der AfD hervor, die empört reagierte und CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer aufforderte, er solle die »Sprachpolizei« in den Kunstsammlungen »sofort stoppen«.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Die SKD erklärte, manche Umbenennungen beruhten auf neuen Erkenntnissen über Kunstwerke. So sei einmal das Wort »afrikanisch« gestrichen worden, weil nicht klar ist, von welchem Kontinent die dargestellte Person stammt. In anderen Fällen aber seien tatsächlich diskriminierende Begriffe »ausgeblendet« worden. Man wolle verhindern, dass Betrachter »unvermittelt« auf Bezeichnungen stoßen, die Menschen »aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Geschlecht, sexuellen Orientierung« oder anderer Merkmale abwerten. Im Online-Katalog bleiben die Begriffe hinter einer Barriere sichtbar. Nutzer müssen dabei vorab zustimmen, dass etwa ein rassistischer Begriff eingeblendet wird.

Einen veränderten Titel erhielt beispielsweise das Gemälde »Zigeunermädchen«, das jetzt als »Mädchen« bezeichnet wird. In einem anderen Fall wurde aus einem »Eskimoschlitten« ein »Schlitten der Inuit«. Gestrichen wurden Begriffe wie »Bastard« oder »Götzentempel«. In ihrer Erklärung merkt die SKD an, dass die Bearbeitung von Werktiteln eine »übliche, seit Jahrhunderten in sehr vielen Museen in aller Welt stattfindende Praxis« sei. Kritik, damit würden Urheberrechte verletzt, treffe nicht zu. Bis ins 19. Jahrhundert hinein seien Werke »nur selten von denen betitelt (worden), die sie geschaffen haben«. Betont wird, dass in der Datenbank der Sammlungen insgesamt 1 488 059 Einträge erfasst seien; die Überarbeitungen beträfen also 0,01 Prozent der katalogisierten Titel.

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AfD-Fraktionschef Jörg Urban sprach mit Blick auf die Korrekturen dennoch von »linker Cancel Culture« und warf den Museumsleuten vor, ein »ziemlich schiefes Weltbild« zu haben. Dagegen erklärte Claudia Maicher, die Kulturexpertin der Grünen im Landtag, die SKD komme ihrer »gesellschaftlichen Verantwortung« nach: »Der sensible Umgang mit Sprache ist wichtig« und sei Alltagsgeschäft in Museen in aller Welt. Allerdings ist die Beschäftigung mit diskriminierenden Bezeichnungen in Werktiteln in Deutschland noch nicht verbreitet. Eine der wenigen Ausnahmen war eine Schau in der Kunsthalle Bremen, die sich 2017 mit der kolonialen Vergangenheit von Exponaten befasste und Begriffe wie »Primitive« oder das N-Wort ebenfalls durch Sternchen ersetzte. Die Reaktionen im deutschen Feuilleton waren äußerst gespalten. Die »Zeit« etwa warf dem Bremer Museum vor, sich als moralische »Besserungsanstalt« zu präsentieren.

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