nd-aktuell.de / 23.09.2021 / Gesund leben / Seite 7

Spurenelement mit Gegenspielern

Stoffwechsel und Immunsystem benötigen Zink. Bei der Aufnahme kann einiges falsch gemacht werden

Anke Nussbücker

Bestimmte Spurenelemente sind Voraussetzung für einen normalen Stoffwechsel und die reguläre Funktion unseres Immunsystems. Im Zuge der Pandemie wurde vor allem Zink als Nahrungsergänzungsmittel häufiger gekauft[1].

Tatsächlich zählt das chemische Element zu den vier Mikronährstoffen, bei denen weltweit am häufigsten Mangelzustände auftreten. In armen Ländern ist Zinkmangel oft an eine schlechte Proteinversorgung gekoppelt. In westlichen Ländern tritt er als Folge schwerer Krankheiten wie Alkoholismus, Darmentzündungen oder Tumorerkrankungen auf. Auch Neugeborene, die nicht gestillt werden, haben ein erhöhtes Risiko, einen Zinkmangel zu erleiden.

Zinkverbindungen erfüllen als lebensnotwendige Substanzen mehrere Dutzend Aufgaben im Körper. Der benötigt sie für die Bildung von Insulin, Testosteron und Wachstumshormonen. Nur mit genug Zink können die für das Immunsystem so wichtigen T-Helfer- und T-Killerzellen aktiv werden. Zinkverbindungen werden bei der Erneuerung der Haut gebraucht und sind am Sehvorgang beteiligt. Unzählige biochemische Reaktionen laufen im Organismus mit ihrer Hilfe ab. Das Enzym für den Alkoholabbau enthält vier Zinkionen pro Molekül. Ein Mangel kann sich als Wundheilungsstörung, Schleimhautveränderung, geschwächtes Immunsystem, Versagen der Bauchspeicheldrüse und bei Kindern als Wachstumsverzögerung, Lernschwäche oder Hyperaktivität zeigen.

Eine andere Frage ist jedoch, ob bei einer beginnenden Erkältung für alle Menschen die Einnahme von Zinktabletten erforderlich ist. Klinische Studien zeigten hier zum Teil widersprüchliche Ergebnisse. Nimmt ein Mensch durch eine vollwertige, kluge Ernährung genügend gut bioverfügbare Mineralstoffe und Spurenelemente auf, bringt ihm eine zusätzliche Zinkzufuhr wahrscheinlich keinen Zusatznutzen bei einer Infektion. Bioverfügbar meint, wie viel Prozent eines Wirkstoffes im Organismus ankommen und wirken können. Bei einem versteckten Mangel jedoch können Nahrungsergänzungen mit Zink helfen, rascher mit einer Erkältung fertigzuwerden.

Einige Studien bewiesen positive Wirkungen von zinkhaltigen Lutschtabletten, mit deren Einnahme innerhalb von 24 Stunden nach dem ersten Halskratzen begonnen wurde. Man erklärt sich die Wirkung so, dass die Zinkionen direkt in der Rachenschleimhaut aufgenommen und dort gegen Infektionserreger genutzt werden, die über die Atemwege angreifen.

Aus organischen Verbindungen mit den Aminosäuren Histidin oder Cystein oder auch mit Glucon- oder Picolinsäure ist das Spurenelement für den Organismus besser bioverfügbar als aus anorganischen Verbindungen. Über einen Zeitraum von ein bis sechs Wochen eingenommen, sind bei Tagesdosierungen bis 25 Milligramm keine schädlichen Nebenwirkungen zu befürchten.

Die kostengünstigsten Varianten sind Brausetabletten mit Zinkcitrat, die ebenfalls einen Mangel ausgleichen können. Das teuerste Zinksupplement wird aus dem Extrakt von Bio-Guavenblättern hergestellt. Auch Spitzwegerichblätter, aus denen Hustentee gekocht wird, enthalten gewisse Mengen Zink. Aus Nahrungsergänzungen mit Zinksulfat oder Zinkoxid kann der Darm das Zink weniger gut aufnehmen und verwerten. So sind zum Beispiel Fruchtsmoothies mit zugesetztem Zinksulfat für kleine Kinder nicht empfehlenswert.

Bevor man über einen längeren Zeitraum Zinktabletten einnimmt, sollte genau ermittelt werden, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt. Haaranalysen sind dabei aussagekräftiger als eine Bestimmung im Blut. Gerade hochbetagte unterernährte Menschen sind häufiger von einem Zinkmangel betroffen. Dann können Fruchtsäfte oder Trinklösungen mit Zinkgluconat zum Einsatz kommen. Ganz wichtig ist es dabei jedoch, eine gute Versorgung mit Proteinen sicherzustellen, denn das Immunsystem kann nur arbeiten, wenn diese ausreichend vorhanden sind.

Für die Dosierung gilt es auch zu berücksichtigen, ob durch Zinksalbe, die auf die Haut aufgetragen wird, nicht bereits ausreichend Zink aufgenommen wird. Auch einige Deo-Roller, Pflegecremes für Babys oder Sonnenschutzcremes enthalten Zinkoxid[2]. Obwohl diese anorganische Verbindung von der Haut nur in geringerem Maße resorbiert wird, kommen davon bis zu 10 Milligramm - entsprechend dem Tagesbedarf einer Frau - in den Körperzellen an, da in diesen Kosmetikprodukten beträchtliche Zinkmengen enthalten sind.

Über die Ernährung nehmen die Menschen hierzulande im Durchschnitt sogar etwas mehr Zink auf als erforderlich. Jedoch bestehen individuell große Unterschiede. Vor allem tierische Lebensmittel wie Brühe aus Suppenknochen, Rind- oder Lammfleisch, Kalbsleberwurst und Austern, aber auch Brot mit Natursauerteig tragen zu einer guten Zinkversorgung bei. Bei Letzterem wird durch die natürliche Säuerung des Brotteigs, die meist zwölf Stunden dauert, ein Großteil der im Getreide enthaltenen Phytinsäure abgebaut, die sonst die Zinkresorption behindern würde.

Vegetarier stehen manchmal unter Generalverdacht, nicht genügend Zink zuzuführen. Doch viele von ihnen sind sich dessen bewusst und weichen Hülsenfrüchte über acht Stunden ein, bevor sie sie kochen, oder lassen sie vor dem Verzehr ankeimen und verzehren die meisten Körner in Form von Sprossen. Durch den Keimvorgang wird die Phytinsäure abgebaut, werden Vitamine gebildet und Mineralstoffe besser verfügbar gemacht.

Fleisch- und Wurstesser sollten sich nicht allzu sicher vor einem Zinkdefizit wähnen, denn viele verarbeitete Waren enthalten zugesetzte Phosphate, die die Zinkresorption im Darm erheblich hemmen. Auch Cola-Getränke, die meist Phosphorsäure enthalten, sind zu meiden.

Die tägliche Nahrung frisch und aufwendig zu kochen[3], verlangt Zeit und Energie. Ein Mindestlohn, der es erlaubt, auch mal fertig gekeimte Mungbohnensprossen oder Bio-Würstchen ohne Phosphat zu kaufen, wäre ein Beitrag zur Lösung des Problems. Denn nicht jeder Ernährungsfehler oder Willkür bei der industriellen Verarbeitung lässt sich einfach durch ein Supplement ausgleichen. So hemmen auch hohe Zufuhren von Sulfat, Calcium oder Eisen die Zinkaufnahme. Eine längere Calcium-Supplementation mit 1000 Milligramm pro Tag kann das in geringeren Mengen vorkommende Zink im Darm regelrecht verdrängen. Noch seltener vorhandene Spurenelemente wie Kupfer oder Mangan werden wiederum von täglichen Zinkgaben, die mehr als 30 Milligramm betragen, verdrängt. Aus diesem Grunde sind Multimineralstofftabletten nicht zu empfehlen. Zink also als Monopräparat organisch gebunden einnehmen, aber auch nur für einen kurzen Zeitraum - so das Fazit.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1145808.warnung-es-gibt-keine-corona-wundermittel.html?sstr=Nahrungserg%C3%A4nzungsmittel
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1153724.ndpodcast-wie-lange-kann-man-in-die-sonne.html?sstr=Zinkoxid
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1155960.ernaehrung-bio-essen-nicht-nur-fuer-wohlhabende.html?sstr=H%C3%BClsenfr%C3%BCchte