Nur eine Auszeit für Woelki

Papst belässt den umstrittenen Kölner Erzbischof im Amt

Der Papst hat entschieden. Rainer Maria Woelki, Kardinal und Erzbischof von Köln darf im Amt bleiben. In den letzten Monaten war er wegen seines Vorgehens bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in seinem Bistum in die Kritik geraten. Ob er das verlorene Vertrauen wiederherstellen kann, mehr als fraglich.

Eineinhalb Seiten hat die Pressemitteilung des Heiligen Stuhls, die am Freitagmittag veröffentlicht wurde. Die knappen Worte des Papstes bergen allerdings viel Zündstoff. Woelki soll demnach lediglich eine, wie es heißt, von ihm selbst gewünschte »geistliche Auszeit« von Anfang Oktober bis zum Beginn der »Österlichen Bußzeit« nehmen. Der Papst erkenne Woelkis »Treue zum Heiligen Stuhl und seine Sorge um die Einheit der Kirche« an, heißt es in dem Schreiben weiter. Bei der Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt habe Woelki nicht »rechtswidrig« gehandelt. Gleichwohl habe der Kardinal »in der Herangehensweise an die Frage der Aufarbeitung insgesamt, vor allem auf der Ebene der Kommunikation, auch große Fehler gemacht«. Diese hätten zu einer »Vertrauenskrise« im Erzbistum geführt.

Wie diese Vertrauenskrise aussieht, das war am Donnerstagabend in der Karl-Rahner-Akademie in Köln deutlich zu spüren. Dort war zum Zukunftskongresses »underconstruction« eingeladen worden, der sich mit der Situation im Erzbistum befasst. Teil der Veranstaltung war eine Podiumsdiskussion unter dem Titel »Aufarbeitung als Desaster. Konsequenzen für Glaube, Theologie und Kirche«. Der an der Universität Salzburg lehrende Theologe Hans-Joachim Sander ging hart mit der Kirche als Institution ins Gericht. Sprach davon, dass sie einen »Verfall der Glaubwürdigkeit« erleide, dass die Zivilgesellschaft einer »bösen« Religion gegenüberstehe. Aus seiner Sicht steht die Kirche am »Abgrund« und scheut den Blick hinein.

Bei der Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt oder wenn es um ihre Sexualmoral gehe, produziere die Kirche immer mehr »Absurditäten«, sagte Sander. Das verschärfe die Spannungen zwischen Kirche und Glaubensgemeinschaften und werde mittelfristig zu Revolten führen. Individuen könnten und müssten sich vernetzen und die Kirchenhierarchie in Frage stellen. Sanders Hoffnung: So könne eine soziale Bewegung entstehen, die einen echten Wandel in der Kirche herbeiführe.

Skeptischer ist diesbezüglich Joachim Frank, Chefkorrespondent des »Kölner Stadtanzeigers«. Er sieht von unten nur »Ansätze« einer Revolte. Es gebe zu wenig Widerspruch aus den Reihen der Priester. Aus Sicht des Vatikans sei das Erzbistum Köln zudem vermutlich »too big to fail«. Deswegen werde es kaum echte Konsequenzen der Skandale geben, nahm Frank die Nachricht vom Freitag vorweg. Allgemein befürchtet er, dass es den Kirchenoberen egal sei, wenn die »Liberalen« die Kirche verlassen. Mutmaßlich sei ihnen das sogar recht, denn das gebe ihnen die Möglichkeit, ohne ständigen Widerspruch weiterzumachen wie bisher.

Aus dem Publikum und von Karl Haucke, ehemaliger Sprecher des Betroffenenbeirats in Köln, war an diesem Abend immer wieder von »Angst« die Rede, die Priester und Kirchenbeschäftigte davor hätten, sich laut zu äußern. Die kritischen Stimmen in der Kirche seien zu sehr vereinzelt. Auch die Frage, ob Christen sich den Mächtigen in der Institution aktiv genug entgegenstellen, wird immer wieder andiskutiert.

Eine Stellungnahme von Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), könnte die Reformkatholiken aufhorchen lassen. Er nehme die Entscheidung aus Rom entgegen und hoffe, »dass der Prozess einer Aussöhnung im Erzbistum Köln anlaufen wird«, sagte Bätzing. Die entstandene Lage lasse »viele Betroffene ratlos und verletzt zurück«. Die Entscheidung werde zu kontroversen Diskussionen führen. Bätzing hofft, dass Woelki seine Auszeit nutzt, um »Chancen und Perspektiven zu finden«. Rückhalt sieht anders aus.

Der Papst teilte am Freitag auch seine Entscheidung über die Rücktrittsgesuche der Kölner Weihbischöfe Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp mit. Puff soll demnach in den regulären Dienst zurückkehren. Schwaderlapp bekommt, ebenfalls auf eigenen Wunsch, eine einjährige Auszeit in Kenia. Woelki wird in seiner Auszeit von Weihbischof Rolf Steinhäuser vertreten. Dieser solle »Sorge dafür tragen«, dass das Erzbistum »einen geistlichen Prozess der Versöhnung und Erneuerung findet«.

Am 16. September hatte der Papst bereits das Rücktrittsgesuch des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße abgelehnt, dem das von Woelki in Auftrag gegebene Rechtsgutachten für seine Zeit als Kölner Generalvikar schwere Verfehlungen beim Umgang mit mutmaßlichen Sexualstraftätern unter Priestern bescheinigt hatte. Ein Rücktrittsangebot des früheren Vorsitzenden der DBK, des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx, hatte Franziskus bereits im Juni abgewiesen. Marx hatte in seiner Zeit als Erzbischof von Trier nicht einmal auf eine Meldung der Staatsanwaltschaft an ihn über Fälle von Kindesmissbrauch durch einen Diozesanpriester reagiert.

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