Wie wurde zum Schadenersatz entschieden?

Diesel-Abgasskandal vor dem Bundesgerichtshof ohne Ende

  • Lesedauer: 3 Min.

In Deutschland rief das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) 2,4 Millionen Dieselfahrzeuge wegen »unzulässiger Abschalteinrichtung« zurück. Betroffen sind Modelle von Audi, Seat, Skoda und VW gleichermaßen. Auch ausländische Modelle sind in dem Skandal verwickelt.

Laut dem ersten und wichtigsten Urteil des BGH zum Dieselskandal haben betroffene Klägerinnen und Kläger Anspruch auf Schadenersatz von VW. Sie können ihr Auto zurückgeben und bekommen ihr Geld wieder. Die gefahrenen Kilometer werden mit dem Kaufpreis verrechnet. Doch jeder Fall ist anders. Im Überblick, worüber der BGH bislang entschieden hat:

SPÄTER KAUF: Wer sein Auto erst nach Auffliegen des Abgasskandals im September 2015 gekauft hat, geht leer aus. Eine Arglosigkeit, die VW hätte ausnutzen können, ist hier nicht mehr gegeben. Für Autos der Konzernmarken Audi, Skoda und Seat gelten dieselben Regeln.

SOFTWARE-UPDATE: Das verpflichtende Update, mit dem die Betrugssoftware deaktiviert wurde, ist keine neue unzulässige Abschalteinrichtung. Allein deswegen gibt es keinen Schadenersatz.

VIELFAHRER: Wenn jemand die geschätzte Laufleistung seines Autos voll ausgeschöpft hat, bleibt vom Schadenersatz nichts übrig. Der finanzielle Schaden ist durch die Nutzung vollständig ausgeglichen.

KEINE DELIKTSZINSEN: Erfolgreichen Klägern muss Volkswagen den Kaufpreis nicht noch rückwirkend verzinsen. Die Kunden hätten für ihr Geld ein voll nutzbares Auto bekommen, so der BGH.

RATENKAUF: Zum Schadenersatz gehören auch Extra-Kosten für eine Ratenfinanzierung wie Darlehenszinsen. VW muss getäuschte Kunden grundsätzlich so stellen, als ob sie das Auto nie gekauft hätten.

KLEINER SCHADENERSATZ: Wer sein Auto behalten will, hat Anspruch auf Ausgleich des Minderwerts. Es wird bestimmt, welcher Betrag aus heutiger Sicht beim Kauf zu viel ausgegeben wurde. Dabei sind auch Vor- und Nachteile durch das Software-Update mit einzuberechnen.

LEASING: Wer sein Auto geleast hat, bekommt in der Regel kein Geld aus den Raten zurück. Das gekaufte Auto wird unter Umständen gefahren, bis es schrottreif, dagegen hat die Fahrzeugnutzung beim Leasing einen eigenen, grundsätzlich zeitbezogenen Wert. Zudem hat der Kunde schon einen Vorteil gehabt und dafür Raten gezahlt.

WEITERVERKAUF: Wenn jemand sein Auto weiterverkauft hat, ist der Schadenersatz-Anspruch nicht entfallen. Der Erlös wird mit den gefahrenen Kilometern vom Kaufpreis abgezogen. Eine Wechselprämie vom Autohändler darf man ohne Abzüge behalten.

VERJÄHRUNG: Die Ansprüche verjähren nach drei Jahren. Wer unzweifelhaft 2015 vom Dieselskandal wusste und daraufhin erst 2019 oder sogar noch später geklagt hat, geht hingegen leer aus. Allerdings dürfen Gerichte dies den Klägern nicht allein wegen der breiten Medienberichterstattung unterstellen.

MUTTERKONZERN: Klagen gegen den Mutterkonzern VW sind erfolgversprechender als Klagen gegen eine Tochter wie Audi. Hier bräuchte es Anhaltspunkte für eine Beteiligung an dem Abgasbetrug. dpa/nd

BGH-Urteile im Überblick: Grundsatzurteil zu VW vom 25. Mai 2020; Urteile vom 30. Juli 2020 zu Zinsen und Vielfahrern, zu Schadenersatz von VW, zu Deliktszinsen, zum Kauf ab Herbst 2015; Urteil vom 8. Dezember 2020 zu Konzernmarken; vom 17. Dezember 2020 zur Verjährung; vom 8. März 2021 zur Haftung von Audi; vom 9. März 2021 zum Software-Update; vom 13. April 2021 zu Finanzierungskosten; vom 6. Juli 2021 zum »kleinen Schadenersatz«; vom 20. Juli 2021 zu »Wechselprämie« und zu Ansprüchen nach Autoverkauf; vom 21. Juli 2021 zu Ansprüchen gegen Autohändler; vom 29. Juli 2021 zur Verjährung; vom 16. September 2021 zum Leasing.

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