nd-aktuell.de / 02.10.2021 / Politik / Seite 14

100 Mal Herz und 100 Mal Kampf

Der Leipziger Fotograf Martin Neuhof porträtiert in einem bemerkenswerten Langzeitprojekt Menschen, die für eine bessere Welt streiten

Hendrik Lasch

Martin Neuhof war 14, als seine Eltern mit ihm Ende der 1990er Jahre aus Leipzig aufs Dorf zogen. Es war eine Zeit, die viele Menschen mit linken Überzeugungen und einem alternativen Lebensstil als »Baseballschlägerjahre« in Erinnerung haben, mit ständiger Sorge vor Angriffen der rechten Szene, die in vielen sächsischen Dörfern, Kleinstädten und Stadtvierteln allgegenwärtig war. In der Schule, in die das bisherige Stadtkind Martin Neuhof kam, gab es neben Fans von Hip-Hop und Gothic auch stramme Nazis. »Man musste sich wehren«, sagt er und spricht von einem »krassen Punkt in meiner Biografie«.

Neuhof lebt wieder in Leipzig. Dort ist er nicht nur seit 2012 als freiberuflicher Fotograf tätig, sondern auch politisch engagiert. Als die fremden- und islamfeindliche Pegida-Bewegung im Jahr 2015 einen Ableger namens Legida installieren wollte, organisierte er mit einigen Mitstreitern erfolgreiche Gegenwehr. Sie gründeten das Bündnis »No Legida«, dessen Facebook-Seite binnen Stunden 10 000 Unterstützer hatte und dessen beeindruckende Demonstrationen schließlich dafür sorgten, dass Legida einschlief. Die Zivilgesellschaft, so zeigte sich, ist in der Stadt kräftig und gut entwickelt. Wer sich gegen Demokratiefeinde wehren will, kann in einer Stadt wie Leipzig auf viele Mitstreiter bauen.

Es gibt andere Orte in Sachsen: Dörfer wie jenes, in dem Neuhof seine Teenagerzeit erlebte; in denen heute womöglich nicht mehr Springerstiefelträger am Buswartehäuschen abhängen, wo dafür aber 40 oder mehr Prozent die AfD wählen und es nicht sonderlich populär ist, sich für Flüchtlinge, für Windräder oder die Rechte von Transsexuellen einzusetzen. Und trotzdem, sagt Neuhof, gibt es auch in vielen solcher Orte Engagierte, die sich für Weltoffenheit einsetzen, gegen Rassismus und Homophobie. Manche stellen in einer Kleinstadt wie Pirna einen Christopher Street Day auf die Beine; andere errichten in einem Ort wie Grimma ein Jugendzentrum, auch wenn dessen von Graffiti überzogene Wände Anstoß erregen; wieder andere betreiben Demokratiebildung und engagieren sich gegen rechte Umtriebe. Es sind Menschen, die viel Widerstandskraft benötigen, manchmal einsam sind und von Zweifeln geplagt werden, aber trotzdem ausharren und »Flagge zeigen für eine gerechtere Welt«.

Die Formulierung findet sich auf der Internetseite eines Fotoprojekts, mit dem Neuhof solche Menschen vorstellt. Die Bilderserie heißt »Herzkampf«; sie wurde 2018 begonnen und ist in den drei Jahren seither auf 100 Porträts angewachsen. Das »Jubiläumsbild« zeigt mit Ricarda Lang eine vergleichsweise Prominente: Mitglied im Vorstand der Grünen und engagierte Verfechterin von Frauenrechten. Auch den linken Ministerpräsidenten von Thüringen oder den Sänger der »Prinzen« hat Neuhof schon porträtiert. Das aber sind eher Ausnahmen. Die meisten der Porträtierten kennt jenseits ihres Wohnorts, ihres Vereins und ihres Freundeskreises kaum jemand. Das »Herzkampf«-Projekt ändert das. Wer etwa durch einen Retweet auf die Porträts von Lang, Bodo Ramelow oder Sebastian Krumbiegel stößt, klickt sich danach womöglich auch durch andere Bilder der Serie und stößt auf Menschen wie das Vorstandsmitglied eines bunten Vereins aus Plauen, einen Fridays-for-Future-Aktivisten aus Zwickau oder eine Buchhändlerin aus Bautzen, die sich gegen Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker engagiert.

Die Serie folgt dabei einem einfachen und von Anfang an feststehenden Muster. Von jeder und jedem Porträtierten gibt es ein Bild in Nahaufnahme und eines, das den Menschen mit etwas Abstand zeigt und aus Kleidung, Haltung oder Umgebung etwas mehr über ihn oder sie erfahren lässt. Die Orte, an denen die Fotografien entstehen, können sich die Porträtierten selbst aussuchen: »Ich bitte sie gern, mir einen Platz zu zeigen, der ihnen etwas bedeutet«, sagt Neuhof. Zudem stellt er ihnen jeweils zehn identische Fragen: Wofür kämpfst du? Welches Ereignis hat dich geprägt? Wen bewunderst du? »Ich gebe einen Rahmen vor«, sagt Neuhof; wie die Porträtierten ihn füllen, bleibt ihnen überlassen. Nicht selten sind die Antworten erschütternd und anrührend, etwa, wenn die Mitgründerin des Vereins »Bon Courage« aus Borna als prägendstes Erlebnis die Abschiebung einer guten Freundin und ihrer Tochter nennt, die erst nach jahrelangem Kampf mit den Behörden zu revidieren war.

Für Neuhof war das Fotoprojekt ein Weg, um seinen rund um »No Legida« erwachten politischen Aktivismus und die Leidenschaft für die Fotografie zu verbinden. »Ich hatte damals viele Engagierte kennengelernt, die aber kaum bekannt waren und keine ›Base‹ haben, keine Unterstützer«, sagt er. Das Projekt lenkt Aufmerksamkeit auf einzelne Initiativen; es trägt dazu bei, Gleichgesinnte in der Region und im Land zu vernetzten; und es korrigiert nebenbei auch das mittlerweile im Rest der Bundesrepublik verbreitete Bild von Sachsen als unrettbar verlorenem Hort braunen Gedankenguts. »Kein Zweifel: Sachsen hat ein massives Problem«, sagt Neuhof, der in Freital die Auseinandersetzungen um ein Flüchtlingsheim fotografiert hat und in Chemnitz die Eskalation nach einem Todesfall beim Stadtfest im Sommer 2018. Aber, fügt der Fotograf an: »Es gibt auch fast überall Leute, die sich wehren.« Sie will er zeigen. Die regionale Beschränkung auf Sachsen ist kein Dogma. Neuhof besucht Aktivisten in angrenzenden Regionen in Thüringen und Sachsen-Anhalt, und wenn er Menschen entdeckt, die ihn besonders interessieren, fährt er auch nach Hamburg oder Berlin. Die hin und wieder geäußerte Idee, das Projekt bundesweit anzulegen und andere Fotografen zu beteiligen, stößt aber bei ihm nicht auf Gegenliebe. »Ich möchte selbst entscheiden, wen ich als ›Herzkämpfer‹ porträtiere und bei wem ich es lieber lasse, weil er vielleicht links ist, aber sich trotzdem antisemitisch äußert«, sagt er: »So etwas geht mit mir gar nicht.«

Kehrseite davon ist, dass die gesamte Arbeit mit »Herzkampf« an Neuhof allein hängen bleibt. Meist ist der Mittwoch dafür reserviert: für Recherchen, Vorgespräche, Reisen in Wohnorte der Porträtierten. Das Fotografieren beansprucht meist eine Stunde; es folgen die Bearbeitung von Bildern, Texten, Internetseite und sozialen Medien. Zeitweise hat er auch viel Zeit und Energie in die Vorbereitung einer Ausstellung investiert, die in einer Leipziger Kirche stattfinden sollte und für die im Frühjahr 2020 alle Vorbereitungen einschließlich der Sponsorensuche abgeschlossen waren - bevor Corona einen Strich durch die Rechnung machte. Sie soll irgendwann nachgeholt werden und könnte in eine Wanderausstellung münden: »Das wäre ein großer Wunsch«, sagt Neuhof. Zu verdienen gibt es allerdings nichts mit dem Projekt, das nur ein einziges Mal Geld abwarf: als die CDU Leipzig eines der Fotos nutzte, um die Linkspolitikerin Jule Nagel zu diskreditieren, die sich von Neudorf vor dem legendären »No Cops«-Graffiti im Stadtteil Connewitz hatte fotografieren lassen. Die Partei wurde wegen der Verletzung von Bildrechten abgemahnt; die fällige Zahlung floss als Spende an linke Projekte.

Sein Einkommen erzielt Neuhof, indem er beispielsweise Hochzeiten fotografiert; derzeit hat er alle Hände voll zu tun: »Die Leute haben viel nachzuholen.« Daneben aber hat sich der Fotograf, dessen Großvater der gleichen Profession nachging und der berühmte Bilder der Montagsdemonstrationen in Leipzig 1989 anfertigte, stets auch Langzeitprojekte gesucht. Eines hieß »Leipziger Bettgeschichten« und zeigte Menschen an dem Ort ihrer Wohnung, »wo sie sich ansonsten nicht der Öffentlichkeit zeigen«. Ein anderes hieß »101 Helden«; es zeichnete einen fotografischen »Querschnitt durch die Gesellschaft der Heldenstadt«, wie es in der Projektbeschreibung hieß. Er wolle »nicht nur für Geld fotografieren«, sagt Neuhof, auch wenn er als junger Familienvater für Miete und Lebensunterhalt mitverantwortlich ist. Projekte wie »101 Helden« und »Bettgeschichten«, die bereits abgeschlossen sind, oder aktuell »Herzkampf« sind aber mehr als nur Broterwerb: Es sind Spielwiese für die fotografische Leidenschaft - und in letzterem Fall auch ein kleiner Beitrag zu einer besseren Gesellschaft.

Wie viele »Herzkämpfer« er noch porträtiert, ist offen. »Auf meiner Wunschliste stehen noch Namen«, sagt Neuhof. Zudem wird er bei den Recherchen regelmäßig auf weitere interessante Menschen aufmerksam, die zu porträtieren sich lohnen würde. Nicht alle stehen seinem Anliegen freilich aufgeschlossen gegenüber - aus nachvollziehbaren Gründen. Manche ziehen es wegen Anfeindungen und aus Gründen des Selbstschutzes vor, die große Öffentlichkeit lieber zu meiden. »Ich finde das schade, aber muss es natürlich akzeptieren«, sagt der Fotograf. Der Idee, Gesichter nur unscharf oder maskiert zu zeigen, kann er wiederum nichts abgewinnen. »Das widerspricht der Grundidee der Serie«, sagt Neuhof: »Sie besteht darin, dass ich ein Gesicht zeige und die Geschichte der Person erzähle.« Geschichten, die bunt sind wie das Leben auch in der sächsischen Provinz - und die eines gemeinsam haben: »Es geht«, sagt Martin Neuhof, »um Menschen, die mit sehr viel Herz für eine gute Sache kämpfen.« Eben um: Herzkämpfer.

Kein Bravo für »Bravo«
Die Bloggerin und Feministin Nhi Le

Nhi Le hat einmal monatelang die »Bravo« gelesen. Allerdings interessierte sie sich weniger für Klatschnachrichten über Popstars oder Schminktipps, sondern für die Frage, wie sich die Lektüre solcher Magazine auf das Selbstbild heranwachsender Frauen auswirkt. Das Ergebnis ihrer Recherche ist auf Youtube zu sehen: der Kurzfilm »Hauptsache sexy«, in dem sie das »perfide Weltbild« analysiert, das Mädchen und Frauen »in eine Dummchen-Schublade« steckt. Er wurde bisher gut 53 000-mal angeklickt.

Nhi Le ist Bloggerin und Publizistin, die sich besonders für Themen wie Feminismus, Rassismus und Medienkultur interessiert. Als Neuhof sie als eine der ersten »Herzkämpferinnen« porträtierte, war eines ihrer wichtigsten Projekte der Videopodcast »Verrückt«, der Lokaljournalismus und politische Bildung vereinte. Sie habe sich, sagte sie damals, schon früh für Politik und »alles, was damals für mich mit ›Gleichberechtigung‹ zu tun hatte«, interessiert. Nach eigenen Erfahrungen habe sie zudem begonnen, sich mit dem Thema sexuelle Belästigung zu befassen. Heute recherchiert, filmt und schreibt sie nicht nur, sondern hält auch Vorträge. Ihre journalistische Arbeit würdigte das »Medium Magazin« dieser Tage, indem es sie in die »Top 30 unter 30« der Branche in Deutschland aufnahm.

Neuhofs Frage, wofür sie kämpfe, fand die Bloggerin zunächst »irgendwie kitschig« – weil das, wofür man sich einsetze, so weit weg scheine. Es falle ihr deshalb auch schwer zu erklären, wie zum Beispiel ihre »ideale Welt« aussehe. Allerdings drängen die Fragen von Neuhof zu Antworten. Nhi Le gab deshalb zu Protokoll, sie wünsche sich eine Gesellschaft, in der »alle gleich, selbstbestimmt und menschenwürdig leben können«. Aktuell kämpfe sie auf verschiedenen Baustellen gegen den »scheinbar unaufhaltsamen Rechtsruck«.

Zu ihren Vorbildern zählte Nhi Le die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verurteilt wurde und vor das Bundesverfassungsgericht zog; außerdem zum Beispiel Frauen im Iran, die sich gegen die Kopftuchpflicht einsetzen.

Neuhof fragt seine Gesprächspartner auch, wem sie eine fiktive Spende von 5000 Euro zukommen lassen würden. Nhi Le nannte unter anderem die Amadeu-Antonio-Stiftung und den Verein »Miteinander e.V.«, denn »abgesehen von ihrer Wichtigkeit, versucht die AfD solchen zivilgesellschaftlichen Institutionen Steine in den Weg zu legen«. Die Frage, was sie an der aktuellen Situation ändern würde, beantwortete sie kurz und sehr knapp: »Ehrlich gesagt wären wir schneller fertig, wenn ich sagen würde, was so bleiben kann.«

Stärker als jeder Hass
Der Flüchtlingshelfer Jakob Springfeld aus Zwickau

Als 2015 viele Flüchtlinge auch in die westsächsische Stadt Zwickau kamen, half Jakob Springfeld seinem Vater dabei, Familientreffen in einer Unterkunft zu organisieren. In jener Zeit trug der damals 14-jährige Schüler öfter einen Pulli mit der Aufschrift »Refugees welcome«, der freilich nicht allen Mitmenschen gefiel. Er solle den »Scheißpullover« ausziehen, blaffte ihn ein älterer Mann auf der Straße an. Das sei für ihn »etwas ganz Neues« gewesen, erzählte Springfeld später Martin Neuhof: »Es war beängstigend und mir wurde klar, dass mehr getan werden muss.«

Springfeld setzte den Vorsatz mit bemerkenswerter Konsequenz um. Als Neuhof den mittlerweile 17-jährigen Abiturienten porträtierte, war dieser noch immer in der Flüchtlingshilfe aktiv, außerdem bei Fridays for Future, in Antifagruppen und bei der Grünen Jugend. Zudem kümmerte er sich um eine angemessene Erinnerung an den rechten Terror des NSU, dessen Mitglieder etliche Jahre unentdeckt in Zwickau gelebt hatten, bevor sie sich im November 2011 selbst enttarnten und ihre letzte Unterkunft in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 von Beate Zschäpe in Brand gesetzt wurde. Im Gedenken an das erste NSU-Opfer Enver Şimşek war in der sächsischen Stadt im Herbst 2019 eine Eiche gepflanzt worden, die aber nach wenigen Tagen abgesägt wurde. Springfeld gehörte zu den Menschen, die das nicht hinnehmen wollten und sich wehrten. Auf ihr Engagement hin wurden zehn Bäume gepflanzt. Sie sollen an die Menschen erinnern, die von den Rechtsterroristen ermordet wurden.

Zu den Fragen, die Martin Neuhof stets stellt, gehört auch jene nach dem einprägsamsten Ereignis. Springfeld nannte die rechten Ausschreitungen in Chemnitz im Spätsommer 2018. Er sei auf einer Gegendemonstration gewesen und nur knapp von einem Böller verfehlt worden: »Das erste Mal hatte ich wirklich Angst.« Als Konsequenz des Naziaufmarschs hätten sich deren Gegner aus Zwickau und Chemnitz stärker verbündet. Nazis nährten mit ihren Demos also »nicht immer nur Hass und Rassismus«, sagte Springfeld: »Sie sorgen (glücklicherweise und noch viel zu wenig) auch dafür, dass Menschen aufstehen, widersprechen und Eigeninitiative ergreifen.«

Auf Neuhofs Frage, wen er bewundere, nannte Springfeld Menschen in ländlichen Orten, Dörfern und Regionen, die »aufgestanden sind und aufstehen werden«. Und wofür kämpft er? »Für das Aufwachen von Zwickauern und Zwickauerinnen, indem nicht länger weggesehen wird«. Er und seine Mitstreiter stünden »für ein anderes Zwickau«, für Zusammenhalt und Solidarität, die »stärker ist als jeder Hass«.

Ein Auge auf Nazipropaganda
Steven Hummel vom Portal »chronik.LE«

Hakenkreuz an Bushaltestelle. Zwei Männer in Wurzen rassistisch beleidigt. Hitlergruß bei Fußballspiel. So lesen sich einige neuere Einträge auf dem Portal »chronik.LE«, das sich der Dokumentation alltäglicher faschistischer, rassistischer und diskriminierender Vorfälle in Leipzig und dem nordsächsischen Umland widmet. Einer der Köpfe dahinter ist Steve Hummel. Sein Kampf habe begonnen, als 2008 rund 100 Nazis ein Konzert in der Kleinstadt Colditz überfallen hätten, das er besuchte. Das habe in ihm den »Drang, etwas zu tun«, geweckt. Er gründete mit Freunden eine »Provinz-Antifa-Gruppe« und ist seitdem politisch organisiert. Das prägendste Erlebnis sei der Mord an Kamal Kilade gewesen, der 2010 von einem Neonazi unweit des Leipziger Hauptbahnhofs ermordet wurde. Danach habe er sich intensiver mit anderen rechten Morden in und um Leipzig, dem öffentlichen Umgang damit und der juristischen (Nicht-)Aufarbeitung beschäftigt.

Das Portal »chronik.LE«, das er gemeinsam mit »einer ganzen Menge cooler Leute« betreibt und bei dem er auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, will Vorfälle sichtbar machen, auf Kontinuitäten hinweisen und Betroffenen helfen. Wenn etwa in einem Ort vermehrt Nazischmierereien auftauchen, lenkt das Portal Aufmerksamkeit darauf und organisiert Unterstützung für Menschen, die sich nicht damit abfinden wollen.

Auf die Frage, wofür er kämpfe, nennt Hummel eine Welt ohne Ausgrenzung, Ausbeutung und Unterdrückung und eine solidarische Gesellschaft, in der alle Menschen so leben können, wie sie wollen. »Manche«, füg er hinzu, »würden das als Kommunismus bezeichnen.«

Frei von Überwachung
Anne Kämmerer vom Bündnis »Polizeigesetz stoppen«

Im Jahr 2011 gab es zwei Ereignisse, die Anne Kämmerer zu politischem Engagement angestachelt haben. Zum einen kürzte die damalige Koalition aus CDU und FDP bei Bildungsprojekten nicht zuletzt im ländlichen Raum. Zum anderen erfasste die Polizei bei Protesten gegen den Naziaufmarsch zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens am 13. Februar die Handydaten von Tausenden Menschen. »Da habe ich mich echt gefragt, ob es hakt«, sagte Kämmerer.

Als die Koalition später plante, die Befugnisse der sächsischen Polizei noch weiter auszuweiten, gründete sich im Freistaat ein Bündnis »Polizeigesetz stoppen«, dessen Sprecherin die junge Frau wurde. Die Initiative wehrte sich gegen das Ansinnen, beispielsweise schon abhören und observieren zu dürfen, ohne dass der Verdacht einer konkreten Straftat vorlag. Sie kämpfe mit vielen anderen »gegen dieses neue Gesetz und für die Freiheit von Überwachung«, sagte Kämmerer. Das Gesetz wurde indes trotz der Proteste beschlossen. Die Fraktionen von Linke und Grüne klagten 2019 vor dem Verfassungsgericht; ein Urteil gibt es im Herbst 2021 immer noch nicht.

Neuhof sprach mit Anne Kämmerer auf dem Leipziger Innenstadtring, während ein Kamerateam einen Film über »Herzkampf« drehte. Sie kämpfe darum, dass »zivilgesellschaftliches Engagement endlich nicht mehr als potenziell verdächtig angesehen wird«, sagte sie – ein Anliegen, das im Freistaat unverändert aktuell ist. Auch von Anne Kämmerer möchte Neuhof wissen, was sie an der aktuellen Situation ändern möchte. Ihre Antwort: »Viel zu viel.«