nd-aktuell.de / 13.10.2021 / Ratgeber / Seite 22

Nachlassverzeichnis ist detailliert zu erstellen

Wenn um die Höhe des Pflichtteils gestritten wird

Es ist nicht so einfach, jemanden zu enterben. Schließt jemand im Testament nahe Angehörige vom Erbe aus, können diese ihren Pflichtteil verlangen und damit die Hälfte dessen, was sie ihne Testament erben würden.

Um jedoch die Höhe des Pflichtteils ganz genau berechnen zu können, können die enterbten nahen Angehörigen von den Erben verlangen, dass ein von einem Notar erstelltes Nachlassverzeichnis vorgelegt werden muss.

Der Notar muss dann das hinterlassene Vermögen sorgfältig ermitteln und darf sich nicht nur auf die Angaben der Erben verlassen. In diesem Zusammenhang weist die W&W-Gruppe der Wüstenrot Bausparkasse auf eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle (6 U 34/20) hin.

In dem vorliegenden Fall hatte ein Mann in seinem Testament seine Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt und damit seinen Sohn vom Erbe ausgeschlossen. Dieser verlangte nach dem Tod seines Vaters nunmehr den Pflichtteil und die Vorlage eines notariellen Vermögensverzeichnisses.

Die Witwe beauftragte für die Erstellung eines Vermögensverzeichnisses einen Notar und legte in der Folge ein von ihm erstelltes Verzeichnis vor. Dieses war jedoch in mehreren Vermögenspositionen unvollständig und beruhte offensichtlich auf den Angaben der Alleinerbin.

Der enterbte Sohn verlangte ein neues Verzeichnis, in dem der Notar die von ihm recherchierten Vermögenswerte detailliert auflisten sollte, damit der exakte Pflichtteil errechnet werden konnte. Da dies nicht erfolgte, verklagte der Sohn die Erbin und bekam Recht.

Laut der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle dürfen sich Notare nicht nur auf die Angaben der Erben verlassen. Sie müssen das hinterlassene Vermögen sorgfältig ermitteln und zum Beispiel bei den Kreditinstituten, mit denen die verstorbene Person in Geschäftsverbindung stand, nachfragen. Hat der Verstorbene Vermögenswerte verschenkt, muss das Nachlassverzeichnis detailliert aufführen, wann dies erfolgt ist, da Schenkungen je nach ihrem Zeitpunkt teilweise bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt werden. Die pflichtteilsberechtigte Person kann auch verlangen, bei der Erstellung des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden.

Hohe Hürde für Entzug des Pflichtteils

Nach vielen Konflikten und einer körperlichen Attacke des Sohnes gegen die Mutter hatten die Eltern bereits 1997 beim Notar einen Erbvertrag vereinbart. Darin enterbten sie ihren Sohn und ordneten zudem an, dass ihm auch der Pflichtteil entzogen werden solle. Er habe seine Mutter so geschlagen, dass sie eine Schädelprellung erlitt. Als die verwitwete Mutter starb, sollte eine soziale Einrichtung erben.

Doch der Sohn verlangte von der Erbin, sie müsse ihm den Pflichtteil auszahlen. Dass ihm die Eltern alles weggenommen hätten, sei nicht gerechtfertigt gewesen. Seine Klage beim Landgericht Frankenthal (Az. 8 O 308/20) hatte mit Beschluss vom 11. März 2021 Erfolg.

Den Sohn nicht als Erben einzusetzen, sei eine freie Entscheidung der Eltern, betonte das Landgericht. Aber nur sehr schwere Vergehen gegen die Erblasser könnten den Verlust des Pflichtteils begründen. Das dafür ausschlaggebende Fehlverhalten müsse im Testament - hier im Erbvertrag - eindeutig festgehalten sein.

Daraus müsse klar hervorgehen, welche Hintergründe zum Konflikt führten und welche Folgen der Konflikt bewirkte. Dazu stehe jedoch im Erbvertrag nichts. Das Gericht habe auch in der Verhandlung die Hintergründe nicht wirklich aufklären können. Bewiesen sei also ein schweres Vergehen des Sohnes gegen die Mutter nicht. Vielmehr sei es auch möglich, dass die Körperverletzung bei einem Streit spontan und im Affekt erfolgte. Das rechtfertige nicht unbedingt einen Pflichtteilsentzug.

Nach allem, was der auf diese Art und Weise abgestrafte Sohn über die familiären Konflikte berichtet habe, liege der Gedanke nahe, dass der tätliche Angriff im Jahr 1996 nicht der Hauptgrund für den ungünstigen Erbvertrag war. Man müsse daher eher annehmen, dass die Eltern den Lebenswandel ihres Sohnes nicht billigten. Aber auch das sei kein ausreichender Grund, so das Gericht, ihm den verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteil wegzunehmen - immerhin die Hälfte des Erbes, da er das einzige Kind der Erblasser gewesen sei.

Die Folge: Die als Erbin eingesetzte soziale Einrichtung muss dem Sohn den Plichtteil auszahlen