Welche Rechte haben betroffene Passagiere?

Chaos am Flughafen BER

  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Flugpassagiere mussten bis zu vier Stunden auf ihre Abfertigung warten. Entsprechend groß war in den endlosen Warteschlangen der Ärger, denn unter diesen Umständen ist es schwer, die nötige Geduld aufzubringen - zumal durch das Chaos mancher seinen gebuchten Flug verpasste.

Die Flugreisenden sollten wissen: Wer aufgrund dieser nicht selbst verschuldeten Verzögerungen den gebuchten Flug verpasst, dem stehen unter Umständen Entschädigungen zu.

Urteil im Streikfall

Fluggäste haben in der Regel ein Anrecht auf Entschädigung, wenn ihr Flug wegen eines Streiks des Kabinenpersonals gestrichen wird. Ausnahmen gibt es nur in begrenzten Einzelfällen, so der Europäische Gerichtshof (Rechtssache C-613/20) am 6. Oktober 2021. Eurowings hatte den Streik als »außergewöhnlichen Umstand« dargestellt.

Der EuGH vertrat aber die Auffassung, dass der Streik vorhersehbar ist, wenn eine Muttergesellschaft zum Streik aufruft. Reisende haben nach EU-Recht die Möglichkeit, bei Kurzflügen bis zu 250 Euro einzufordern. In diesem Fall war der Flug von Salzburg nach Berlin streikbedingt ausgefallen. dpa/nd

Die Beförderung verweigert: Welche Rechte haben Passagiere?

Christian Leininger, Experte für Fluggastrechte bei AirHelp: »Wir raten den betroffenen Fluggästen, auf jeden Fall eine Entschädigung nach der Verordnung EG 261 zu beantragen. Die europäische Rechtsvorschrift räumt Fluggästen ein Recht auf eine Ausgleichszahlung ein, wenn sie ihren Flug ohne eigenes Verschulden verpasst haben.«

Flugausfälle und Flugverspätungen können zu Entschädigungszahlungen in Höhe von bis zu 600 Euro pro Fluggast berechtigen. Die Höhe der Entschädigungszahlung berechnet sich aus der Länge der Flugstrecke. Der rechtmäßige Entschädigungsanspruch ist abhängig von der tatsächlichen Verspätungsdauer am Ankunftsort sowie dem Grund für den ausgefallenen oder verspäteten Flug. Betroffene Passagiere können ihren Entschädigungsanspruch rückwirkend durchsetzen, bis zu drei Jahre nach ihrem Flugtermin.

Die EU-Verordnung sieht folgende Entschädigungen vor: 250 Euro bei Strecken bis 1500 km, 400 Euro bei Strecken über 1500 km und 600 Euro bei Strecken über 3500 km. Zudem muss die Airline eine alternative Verbindung anbieten. Betroffene Passagiere dürfen auf eine andere Fluggesellschaft auf Kosten der ersten Airline umsteigen.

Die Fluggesellschaften können sich bei dem Chaos am BER nicht darauf berufen, dass die Abfertigungsverspätungen nicht in ihrem Einflussbereich liegen und sie sich auch nicht auf zusätzliche Anforderungen aufgrund der Corona-Pandemie schieben lassen. Die aufgetretenen Umstände sind nicht überraschend und müssen mit entsprechend Personal gedeckt werden.

AirHelp, die weltweit größte Organisation für Fluggastrechte, unterstützt mit einem weltweiten Netzwerk die Durchsetzung dieser Ansprüche - wenn nötig auch vor Gericht. Wenn ein Fluggast ohne eigenes Verschulden nicht an Bord eines Flugzeugs gehen darf, gilt dies als Nichtbeförderung. Nach dem Verbraucherrecht (EG 261) haben betroffene Passagiere Anspruch auf eine sofortige finanzielle Entschädigung (wie vorstehend aufgelistet) oder auf einen alternativen Flug zum Zielort. Sie können auch verlangen, dass sie ihr Ticket zurückerstattet bekommen.

In der heutigen Zeit mit verstärkten Hygiene- und Gesundheitskontrollen verlangen die Fluggesellschaften, dass die Fluggäste noch früher am Flughafen eintreffen. Solange die Fluggäste jedoch innerhalb der geforderten Zeit am Flughafen waren und in der Schlange für die Abfertigung standen, sollten sie Anspruch auf Entschädigung haben, wenn die Fluggesellschaft sie nicht rechtzeitig abfertigen konnte.

Die Airlines verweisen immer wieder darauf, dass Passagieren bei Flugausfällen ein Anrecht auf eine Entschädigung nur dann haben, wenn sie pünktlich am Flughafen waren und dies auch belegen können. Auf der Internetseite des BER ist von »mindestens zwei Stunden vor Abflug« die Rede. Auch Easyjet nennt im Internet diese Zeitspanne. Die Lufthansa hatte zwischenzeitlich vier Stunden empfohlen, ist davon inzwischen wieder abgerückt. Zu empfehlen ist auch, dass die Passagiere das Chaos dokumentieren und Fotos von ihrer Ankunft machen.

Außergewöhnliche Umstände wie Unwetter oder medizinische Notfälle können die Airline von der Kompensationspflicht befreien. Diese außergewöhnlichen Umstände treffen allerdings im konkreten Fall des Chaos am BER nicht zu. AirHelp/nd

Weitere Informationen findet man unter www. airhelp.com/de/

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