nd-aktuell.de / 30.10.2021 / Politik / Seite 6

Die Hubschrauber kreisen seit Tagen über der Stadt

Wegen des G20-Gipfels am Wochenende herrscht in Rom Ausnahmezustand. Gewerkschaften, Umwelt- und Frauenverbände planen Proteste

Anna Maldini

Die italienische Regierung hat versucht, die diesjährige Tagung des G20-Gipfels in Rom möglichst unsichtbar zu machen. In der Öffentlichkeit wurde im Vorfeld kaum darüber geredet und auch die Medien vermeldeten die Vorbereitungen eher unter »ferner liefen«. Zu groß ist die Angst vor größeren Protesten und Unruhen und zu präsent sind noch die Ereignisse während des Gipfeltreffens vor 20 Jahren in Genua. Damals kamen Zigtausende in der norditalienischen Hafenstadt zusammen, um gegen das »elitäre Treffen« zu protestieren; die Stadt wurde zum »Kriegsgebiet« erklärt; die Verfassungsrechte wurden außer Kraft gesetzt und der 23-jährige Carlo Giuliani kam unter nie ganz geklärten Umständen ums Leben.

Dieses Mal soll alles anders werden. Man hat das Treffen, das an diesem Wochenende stattfindet, in den peripheren Stadtteil Eur verlegt, in dem es wenig Wohnhäuser und keine enge Gassen gibt, stattdessen breite Straßen und vor allem große Firmensitze. Für die Polizei, die Soldaten und die Geheimdienste aus mindestens 20 Staaten soll alles schön übersichtlich sein und das Stadtzentrum soll möglichst »verschont« bleiben.

Aber ein Gipfeltreffen der Chefs der 20 reichsten Staaten der Welt lässt sich natürlich nicht verbergen und so kreisen schon seit Tagen Hubschrauber über der Stadt. Der Stadtteil Eur, wo 1940 die Weltausstellung hätte stattfinden sollen, die dann aber wegen des Krieges ausfiel, wurde weiträumig abgesperrt, U-Bahn-Stationen geschlossen, Papierkörbe abmontiert und parkende Autos abgeschleppt.

Insgesamt sind mindestens 6500 »Ordnungskräfte« mit Drohnen und anderen hochmodernen Anti-Terrorismus-Werkzeugen im Einsatz. Das Umfeld des Gipfeltreffens soll möglichst steril sein und auf gar keinen Fall sollen die »Mächtigen der Welt« mit »dem Volk« in Berührung kommen. Aber da weitere Polizisten und Soldaten auch die vielen großen Hotels im gesamten Stadtgebiet bewachen, in denen die ausländischen Delegationen untergebracht sind, und andere die Staatschefs permanent von A nach B und C bringen, herrscht in Rom dann eben doch der »übliche« G20-Ausnahmezustand.

Die ersten Protestkundgebungen gab es bereits am Freitag: Schüler von Fridays for Future hatten einen Schulstreik organisiert und trafen sich mit zahlreichen anderen Bewegungen und mit Arbeitern von zwei Fabriken, die von Schließung bedroht sind, in einem Antifa-Zentrum.

Für Samstag sind zwei große Kundgebungen vorgesehen. An der einen nehmen vor allem Gewerkschaften, Umwelt- und Frauenorganisationen sowie Gruppen teil, die sich für weltweite Impfgerechtigkeit und mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen. Piero Bernocchi, Sprecher der Basisgewerkschaft Cobas erklärte: »Wir führen den Kampf für eine gerechtere Welt weiter, der vor 20 Jahren in Genua begann. Wir wollen eine Welt ohne Kriege, Mauern, Rassismus, Diktaturen und ohne Faschismus.« Es werden über 10 000 Personen erwartet und der Slogan, der den Protestzug anführen wird, lautet »Ihr G 20 - wir die Zukunft«.

»Wir gehen auf die Straße, weil wir unserer Entrüstung über die Regierungen herausschreien wollen, denen der Profit der Konzernen wichtiger ist als die Impfstoffe für Milliarden Menschen und die Pflicht, der Klima- und Umweltkatastrophe Einhalt zu gebieten«, erklärte im Vorfeld Maurizio Acerbo, Vorsitzender der Partei »Kommunistische Neugründung - Europäische Linke«, die zu den Organisatoren des Protestmarsches gehört. Es sind Redebeiträge zu den Themen Klimawandel, Gesundheitspolitik und Jugendarbeitslosigkeit vorgesehen.

Ebenfalls am Samstag wird eine weitere Kundgebung stattfinden, die von verschiedenen linken Gruppen organisiert wurde, die sich aber in erster Linie gegen die Politik der italienischen Regierung wendet. An dieser Demo könnten möglicherweise auch Impfgegner teilnehmen und Personen, die gegen den sogenannten Impfpass protestieren, der in Italien mittlerweile an fast allen öffentlichen wie privaten Arbeitsplätzen notwendig ist. Da diese Bewegung zum Teil von militanten und gewaltbereiten faschistischen Kräften beherrscht wird, sind hier am ehesten Ausschreitungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei zu erwarten.