Wie die Macht von Google und Co begrenzt werden soll

EU-Politiker streiten über neue Vorschriften für große Internetplattformen wie Google und Amazon

  • Maximilian Henning
  • Lesedauer: 5 Min.

Zum Trilog braucht es drei, und bald sollen alle so weit sein: Nach EU-Kommission und Rat hat in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auch der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments einen Entwurf für ein Digitale-Märkte-Gesetz beschlossen. Mit dem geplanten Gesetz, kurz DMA nach dem englischen Namen Digital Markets Act, soll mit einer ganzen Reihe an Vorschriften die Macht großer Internetplattformen einschränkt werden.

Am kommenden Montag wird der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz über den Entwurf abstimmen, im Dezember das Parlament. Dann müssen sich Parlament, Rat und Kommission darauf einigen, wie das Gesetz am Ende aussehen soll. Das soll im Frühjahr 2022 geschehen. Soweit zumindest der Plan, aber ganz fest scheint der Entwurf des Parlaments noch nicht zu stehen.

Eine »schöne Zahl« und ihre Folgen

Worum geht es überhaupt bei dem Digitale-Märkte-Gesetz? Neu geregelt werden sollen die Vorgaben für große Plattformen, die Gatekeeper sind, also Türsteher. Das sollen Plattformen sein, die entweder einem großen Unternehmen angehören oder viele Nutzer*innen haben. Gegen diese Plattformen richten sich die geplanten Vorschriften.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es in der Frage, welche - oder besser: wie viele - Plattformen als Gatekeeper gelten sollen. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission, dem die Mitgliedstaaten im Rat zugestimmt haben, sieht folgende Definition vor: Das Gesetz soll für alle Unternehmen gelten, die mindestens einen Jahresumsatz in Europa von 6,5 Milliarden Euro haben oder einen Marktwert von 65 Milliarden Euro, mindestens 45 Millionen europäische Nutzer*innen oder 10 000 Geschäftsnutzer*innen, also zum Beispiel Händler auf Amazon.

Ein ursprünglicher Entwurf des Berichterstatters des Parlaments sah zehn Milliarden Euro Umsatz oder 100 Milliarden Euro Marktwert als Grenze vor. »100 Milliarden ist eine schöne Zahl, die ich mir gut merken konnte«, sagte der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab gegenüber netzpolitik.org. Unternehmen wie booking.com, Snapchat oder Zoom würden nicht unter das Gesetz fallen. Der Binnenmarktausschuss hat sich nun auf einen Kompromiss von 80 Milliarden geeinigt.

Zum Beispiel Amazons Machtstrategie

Bei der Benennung als Gatekeeper geht es um eine ganze Menge. Zum Beispiel: Gatekeeper sollen Daten, die sie beim Betreiben ihrer Plattform gewinnen, nicht mehr in Konkurrenz mit Geschäftsnutzer*innen auf der Plattform benutzen dürfen, wenn diese Daten nicht öffentlich sind. Amazon dürfte zum Beispiel nicht mehr untersuchen, welche Produkte anderer Verkäufer*innen auf der eigenen Plattform besonders erfolgreich sind, diese Produkte mit eigenen Angeboten nachahmen und dann Konkurrent*innen von der Plattform vertreiben. Zumindest müsste Amazon die zugrundeliegenden Daten öffentlich verfügbar machen.

Eine andere Vorschrift sieht vor, dass Gatekeeper auf ihren Betriebssystemen die Deinstallation aller ihrer Software erlauben müssen, die nicht für den Betrieb des Geräts notwendig sind und von niemand anderem bereitgestellt werden können. Das dürfte die Praktiken von Google bei Android, Apple bei iOS und macOS sowie Microsoft bei Windows einschränken: Alle drei nutzen ihre dominante Stellung, um Kund*innen zum Beispiel zur Nutzung ihrer Browser zu bewegen. Bei diesen Regelungen sind die Entwürfe von Kommission, Rat und Parlament relativ gleich.

Google dürfte auch über einen Absatz zu Suchmaschinen-Gatekeepern wenig erfreut sein. Wenn andere Suchmaschinenbetreiber bei diesen Gatekeepern anfragen, müssen diese ihnen Zugriff auf eine Menge Daten über ihre Nutzer*innen geben: Einstufungen von Suchergebnissen, Suchanfragen, Nachverfolgung von Klicks und Aufrufen, alles zum Schutz der Privatsphäre anonymisiert. Das dürfte alternative Suchmaschinen wie Ecosia, Qwant oder DuckDuckGo freuen.

Der Artikel 16 der Entwürfe von Kommission und Rat mit dem Titel »Marktuntersuchung bei systematischer Nichteinhaltung« regelt, welche Sanktionen möglich sind. Konkret ist darin festgelegt, was die EU-Kommission mit einem Gatekeeper machen darf, wenn dieser bereits wiederholt verwarnt wurde oder Strafen nach dem Digitale-Märkte-Gesetz zahlen musste und es keine andere Option mehr gibt.

Ein Mittel gegen Facebooks Expansion?

In diesem Fall darf die Kommission »jede verhaltensbezogene oder strukturelle Abhilfemaßnahme« verhängen, die notwendig scheint, um das Digitale-Märkte-Gesetz durchzusetzen. Das kann auch der vollständige Verkauf von Geschäftsbereichen sein: Die Kommission könnte etwa anordnen, dass Facebook WhatsApp oder Instagram wieder verkaufen muss. So sehen es die Entwürfe von Kommission und Rat vor.

Der Entwurf des Parlaments schränkt diese Sanktionen aber auf eine einzige ein: Die Kommission dürfte demnach Gatekeepern nur noch für eine beschränkte Zeit verbieten, neue Unternehmen aufzukaufen. Diese Änderung ging vom Binnenmarktausschuss aus, bestätigte eine Sprecherin des Berichterstatters und CDU-Europaabgeordneten Schwab.

Das kritisiert Rasmus Andresen, Schattenberichterstatter der Grünen im Industrieausschuss des Parlaments, der ebenfalls am Entwurf beteiligt ist: »Die Abstimmung im Binnenmarktausschuss wird zeigen, ob die Konservativen und Liberalen gewillt sind, mit uns gemeinsam ein ambitioniertes Ausschussmandat zu verabschieden.«

»Falls die dort gefundenen Kompromisse nicht weitreichend und verbraucherschutzsensibel genug sind, steigt die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Konfrontation im Plenum im Dezember«, sagte der Grünen-Politiker »nd.Die Woche«. »Der Industrieausschuss und der Wirtschaftsausschuss haben sich bereits mit ambitionierten Positionen in Stellung gebracht und werden nicht tatenlos zusehen, wenn diese vom Binnenmarktausschuss und dem dort federführenden Chefverhandler Andreas Schwab ausgebremst werden.«

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