Selbst geschaffenes Monster

Die Querdenken-Proteste radikalisieren sich schnell - die sächsische Regierung trägt dafür jedoch Mitverantwortung

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 2 Min.

Am Freitag marschierten Querdenker und Neonazis in Grimma vor dem Wohnhaus der sächsischen Sozialministerin Petra Köpping auf. Das Ziel war die Einschüchterung der SPD-Politikerin. Bundesweit zeigt man sich nun empört und fragt sich, wie es so weit kommen konnte. Die bittere Wahrheit: Es gibt mittlerweile eine radikalisierte Szene, die vom Aufstand träumt und gelegentlich versucht, ihn umzusetzen. Gerade die sächsische Regierung und die Institutionen des Freistaats haben zur Entstehung dieser gewaltbereiten Parallelwelt beigetragen.

Seit Monaten war zu beobachten, wie die Bewegung verstärkt mobilisierte und auch nicht vor Auseinandersetzungen mit der Polizei, vor Anschlägen oder Angriffen auf Journalisten zurückschreckte. Der sächsische Innenminister Roland Wöller und der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer haben jedoch die Aufmärsche verharmlost. Die Polizei ließ die aufgepeitschten Demonstranten gewähren, man zeigte Verständnis und Wohlwollen, auch Amtsgerichte und Landräte drückten beide Augen zu. Möglicherweise will man potenzielle Wähler nicht verlieren oder ist wirklich ideologisch so verbohrt, dass man überall nur Linksextremismus sieht – die Querdenken-Demonstranten fühlen sich jedenfalls ermutigt und angesichts eines empfundenen staatlichen Kontrollverlustes auch bestätigt. Sie wollen ausreizen, wie weit sie gehen können.

Besonders absurd wird es daher, wenn Wöller jetzt zur Zivilcourage aufruft. Darauf dürften viele Sachsen schon längst keine Lust mehr haben. Wer sich ernsthaft engagiert, wird nur allzu oft als Linksexextremist diffamiert und kriminalisiert. Wenn man von rechts wiederum bedroht wird, ist meist keine Hilfe von den Behörden zu erwarten. Und nur die wenigsten Fälle erhalten eine solche Öffentlichkeit wie jetzt der Angriff auf Köpping.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal