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  • Rechtsextremismus in Finnland

Brauner Sumpf in der Provinz

Finnische Behörden heben eine Gruppe von Neonazis aus

  • Robert Stark, Helsinki
  • Lesedauer: 3 Min.
Polizei und Staatsschutz hatten die Kankaanpää-Gruppe nach der Entdeckung eines Waffenarsenals im Visier.
Polizei und Staatsschutz hatten die Kankaanpää-Gruppe nach der Entdeckung eines Waffenarsenals im Visier.

Das lange Wochenende vor dem finnischen Unabhängigkeitstag begann mit einer Schocknachricht: Auf einer Pressekonferenz im westfinnischen Pori gab die Sicherheitspolizei Supo am Freitag die Festnahme von fünf Verdächtigen bekannt, denen die Vorbereitung einer Terrortat vorgeworfen wird. Kriminalkommissar Toni Sjöblom präsentierte Fotos von beschlagnahmten Gewehren, Sprengstoff und Zündern. Die örtliche Polizei hätte schon im vergangenen Jahr bei einer Hausdurchsuchung das Waffenarsenal beschlagnahmt und Ermittlungen wegen schwerer Verstöße gegen die Waffengesetze eingeleitet. Diese hätten schließlich zu den Festnahmen geführt.

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Die fünf Männer zwischen 23 und 26 Jahren stammen aus der Kleinstadt Kankaanpää, etwa 200 Kilometer nordwestlich von Helsinki. Die Kankaanpää-Gruppe wirkte konspirativ und gehört dem Spektrum des rechtsgerichteten Akzelerationismus an. Diese Strömung will gesellschaftliche Widersprüche gewaltsam verschärfen, um so einen Zusammenbruch des Systems zu erreichen. Wegen ihrer teilweise nihilistischen Weltsicht wird die Strömung international und auch in Finnland von rechtsextremen Kreisen marginalisiert. Konkrete Anschlagsziele der fünf Männer nannte die Polizei bisher nicht, auch die Terror-Warnstufe in Finnland wurde nicht angehoben.

Mika Hatanpää, Bürgermeister der 12 000-Einwohner-Stadt Kankaanpää, zeigte sich gegenüber der Zeitung »Helsingin Sanomat« überrascht. Es habe nach seiner Wahrnehmung keine Anzeichen für derartige terroristische Bestrebungen in seiner Gemeinde gegeben.

Nach Ortsbesuchen finnischer Medien am Wochenende wirkt diese Einschätzung fragwürdig oder zumindest naiv: Einige der jungen Männer sollen besonders unter Gleichaltrigen berüchtigt gewesen sein. Von Ortsansässigen werden sie wahlweise als Skinheads oder Neonazis bezeichnet. Die Gruppierung wird auch in Verbindung mit rechtsextremer Propaganda in den sozialen Netzwerken gebracht, insbesondere mit diskriminierenden Äußerungen gegenüber Ausländern. »Helsingin Sanomat«-Autorin Anni Härkonen berichtete aus Kankaanpää: »Je älter die Befragten sind, desto überraschter zeigt man sich über die Vorgänge.«

Der Helsinkier Journalist Dmitry Gurbanov schätzt gegenüber »nd« ein: »Die öffentlichen Aktivitäten der extremen Rechten sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen.« Das Verbot der nordeuropäischen Neonaziorganisation Nordische Widerstandsbewegung in Finnland habe dazu beigetragen, dass sich Teile der Szene noch konspirativer verhielten. »Die meisten rechtsextremen Aktivitäten in Finnland passieren im Internet, die akzelerationistische Tendenz wurde auch dadurch stärker«, so Gurbanov.

Die relativ schwache Mobilisierungsfähigkeit des rechten Randes zeigte sich auch bei Veranstaltungen am Montag zum finnischen Nationalfeiertag. Ein jährlich seit 2014 von Rechten organisierter Fackelmarsch am Militärfriedhof Hietaniemi verzeichnete laut Polizei nur gut 500 Teilnehmer. Vor zwei Jahren waren es noch doppelt so viele.

Das Bündnis Helsinki ilman natseja (Helsinki ohne Nazis) konnte bei klirrender Kälte etwa 1500 Gegendemonstranten mobilisieren. Ihnen gelang es, einen Teil der Route des Fackelmarsches zu blockieren. »Es ist uns wortwörtlich gelungen, den Nazis den Raum auf der Straße zu nehmen«, erklärten die Veranstalter. Bei den Aktionen wurden von der Polizei 21 Personen vorläufig festgenommen, darunter 19 Rechte, die versucht hatten, zur Gegendemo durchzubrechen.

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