nd-aktuell.de / 03.01.2022 / Brandenburg / Seite 11

Todesgefahr am Arbeitsplatz

Landesamt für Arbeitsschutz untersucht schwere Arbeitsunfälle und besichtigt Fleischindustrie und Spargelhöfe

Andreas Fritsche

Auf dem Gelände einer Logistikfirma wird ein Lkw abgefertigt. Der polnische Fahrer erkundigt sich mehrfach, ob und wann der Laster endlich beladen ist, damit er abfahren kann. Beim ersten Versuch trägt er eine Warnweste, beim zweiten hat er sie nicht mehr übergestreift und steht in schwarzer Kleidung vor einer schwarzen Gummimatte, als er einen Gabelstaplerfahrer anspricht. Dieser versteht ihn nicht, weil ein herannahendes Rangierfahrzeug zu laute Geräusche verursacht. Er versucht noch, den polnischen Kollegen auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Doch es ist zu spät. Der Rangierfahrer hat den Polen in der Dunkelheit nicht bemerkt und quetscht ihn beim Zurücksetzen ein. Das Opfer erliegt noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Das ist einer von acht tödlichen Arbeitsunfällen, die sich im Jahr 2020 in Brandenburg ereignet haben. 14 Menschen kamen dabei ums Leben.

Der Fall des getöteten Lkw-Fahrers ist im jüngsten Arbeitsschutzbericht geschildert, den Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) unmittelbar vor Silvester vorstellte. Das Landesamt für Arbeitsschutz untersuchte das tragische Vorkommnis und fand heraus, dass mehrsprachige Schilder auf dem Firmengelände darauf hinweisen, dass hier eine Warnweste zu tragen sei. Auch auf Polnisch stand das geschrieben. Außerdem war das Rangierfahrzeug mit Rückfahrkamera und Rückfahrscheinwerfern ausgestattet. Soweit lief alles ordnungsgemäß. Leider hielt sich das Personal nicht durchgängig an die Anweisung, dass die Rolltore an den Laderampen geschlossen sein müssen, wenn dort gerade nicht gearbeitet wird. So hätte der polnische Kollege nicht auf die Idee kommen können, mit seiner Frage an den Gabelstaplerfahrer heranzutreten. Um solche Unfälle künftig zu vermeiden, ist das Rangierfahrzeug nun mit einem akustischen Warnsignal und mit einem blauem Kegellicht ausgestattet.

Das Landesamt untersucht nicht nur schwere Arbeitsunfälle[1]. Es beantwortet auch Anfragen. So wollte ein Pflegedienst wissen, ob es einem Beschäftigten eine Silikonmaske geben kann, weil er auf Inhaltsstoffe der sonst üblichen Masken allergisch reagierte. Ohne Maske dürfte er sich pflegebedürftigen Menschen während der Corona-Pandemie nicht mehr nähern - er würde sie einer Ansteckungsgefahr auszusetzen. Aber einer aus Österreich bezogene Silikonmaske fehlte die in Deutschland vorgeschriebene Kennzeichnung. Das Landesamt schätzte die Maske als befristet erlaubt ein, da ein Zertifikat über eine österreichische Sonderzulassung vorlag.

Auch sonst hatte das Amt mit Corona zu tun. Nachdem sich die Infektionen auf Schlachthöfen häuften und die Arbeitsschutzverwaltung bei Kontrollen in Nordrhein-Westfalen erhebliche Missstände in der Fleischindustrie aufdeckte, wurde Brandenburg aktiv. Es gab Besichtigungen in elf fleischverarbeitenden Betrieben, wobei auch die Unterkünfte der Arbeiter in Augenschein genommen wurden, soweit diese von der Firma gestellt waren. Schwerwiegende Mängel wurden dabei nicht festgestellt. Aber in drei Betrieben wurde am Arbeitsplatz nicht der Mindestabstand von anderthalb Metern eingehalten und in einem Betrieb stand nicht ausreichend Schutzausrüstung für die Beschäftigten zur Verfügung.

Ebenfalls unter die Lupe genommen wurden 16 Spargelhöfe und zwölf weitere Agrarbetriebe. Hintergrund waren Berichte und Beschwerden über mangelnde Hygiene bei der Unterbringung der Erntehelfer. Aber auch bei dieser Sonderaktion stellte das Landesamt keine schweren Verstöße fest. Bei den Beanstandungen ging es wieder nur um die Mindestabstände oder um zu große Teams von Saisonarbeitern.

»Gerade in der Pandemie sehen wir, wie wichtig ein effektiver Arbeitsschutz für die Menschen ist«, erklärt Ministerin Nonnemacher. Verstärkte Arbeitsschutzmaßnahmen seien »zur Unterbrechung von Infektionsketten zwingend erforderlich«.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1074046.im-kraftfuttermischwerk-umgekommen.html