nd-aktuell.de / 05.01.2022 / Brandenburg / Seite 11

Geldsegen für die Garnisonkirche

Gegner des Wiederaufbaus argwöhnen unzulässige Finanzspritze durch die Stadt Potsdam

Andreas Fritsche

Es hörte sich gut an. Es schien eine denkbare Lösung zu sein für die Konflikte rund um den umstrittenen Wiederaufbau der barocken Potsdamer Garnisonkirche: Nur der bereits in die Höhe wachsende Kirchturm wird vollendet, das in den 1970er Jahren entstandene Rechenzentrum bleibt als Ateliergebäude und anstelle des Kirchenschiffs entsteht ein modernes Haus der Demokratie mit einem Sitzungssaal für das Stadtparlament und Räumlichkeiten vielleicht auch für das Stadtmuseum.

Aber das Konzept[1], das Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), Altbischof Wolfgang Huber und Anja Engel vom Rechenzentrum Anfang Dezember präsentierten, stößt auf Widerstand aus allen Richtungen. Derzeit lässt sich noch keine Mehrheit für die Umsetzung erkennen.

»Es gab Überschriften in der Presse: ›Der Streit um die Garnisonkirche ist beendet‹. Da kann ich ihnen versprechen: Das ist nicht so.« In diese Formulierung kleidet am Dienstag Carsten Linke vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam seine Ablehnung des Konzepts. Er nennt ein Beispiel: Soll wirklich wie einst oben auf den 88 Meter hohen Kirchturm die Wetterfahne? Historisch sei sie eine Kampfansage an Frankreich gewesen.

»Dass dort ein Haus der Demokratie entstehen soll, klingt erst einmal gut«, räumt Linke ein. »Aber wir haben an dieser Stelle schon ein Haus der Demokratie.« Er meint das Kunst- und Kreativhaus, das sich - ursprünglich als Zwischennutzung gedacht - im ehemaligen Rechenzentrum etabliert hat. Wozu brauche es einen neuen Saal für das Stadtparlament? Die Stadtverordneten sollten sich schon allein aus Kostengründen an der Friedrich-Ebert-Straße treffen, meint Carsten Linke. Dort befindet sich schließlich das Rathaus. Aber auch symbolisch wäre ein Umzug seiner Ansicht nach die falsche Entscheidung. »Wenn sich der Landtag hinter einer barocken Schlossfassade verbirgt und die Stadtverordnetenversammlung sich in den Schatten der Garnisonkirche stellt - diesen Eindruck sollte man vermeiden«, sagt Linke.

Er hat einen Verdacht, wozu das ganze Manöver dienen soll. Einst trat die Stadt Potsdam das Grundstück der Garnisonkirche der evangelischen Stiftung für den Wiederaufbau unentgeltlich ab. Wenn diese Stiftung nun einen Teil des Grundstücks für das geplante Haus der Demokratie per Erbpacht auf 50 Jahre hinaus zur Verfügung stellt, so winke ein Zins von wahrscheinlich mehreren Millionen Euro. Dieses Geld könnte von der Stiftung verwendet werden, um den Turm fertigzubauen und die Inneneinrichtung zu bezahlen, so Carsten Linke. Das aber wäre eine unzulässige Quersubventionierung des Bauprojekts, habe das Stadtparlament doch beschlossen, kein Geld in die Garnisonkirche zu stecken.

Linke zufolge stockt das Bauprojekt, weil die Spenden nicht so reichlich fließen wie erhofft und versprochen. Mit einer erneuten Finanzspritze des Bundes sei auch nicht mehr zu rechnen, ergänzt Sara Krieg von der Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche. Denn Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die Millionensummen für den Wiederaufbau lockermachte, ist nicht mehr im Amt. Dass sich Nachfolgerin Claudia Roth (Grüne) gleichermaßen für das Vorhaben erwärmt, scheint ausgeschlossen. Krieg verlässt sich dabei auf Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Bundestagswahlkampf.

Nach Ansicht von Linke und Krieg muss die Stadt Potsdam nur abwarten. Wenn bis zum Ende des Jahres 2030 nicht wesentliche Teile der Kirche wiedererrichtet seien und auch die Finanzierung der übrigen Teile bis dahin nicht gesichert wäre, falle das an die Stiftung abgegebene Grundstück zurück an die Stadt. So sei es bei der Übergabe des Areals vereinbart worden. Es bestehe also kein Anlass, einen Pachtzins zu entrichten. Denn dass die Stiftung Garnisonkirche ihre Ziele ohne die finanzielle Hilfe von Bund und Kommune noch erreicht, halten Linke und Krieg für ausgeschlossen.

»Wir wollen weiterhin diese Stiftung nicht in der Stadt und wir wollen nicht, dass die Stiftung den Turm weiterbaut«, stellt Krieg am Dienstag klar. Carsten Linke sieht die angebliche Kompromissbereitschaft der Stiftung in der Frage des Hauses der Demokratie als nichts anders als »eine sachliche Einschätzung des eigenen Vermögens«. Nur weil die Stiftung selbst den ersehnten Wiederaufbau des Kirchenschiffs nicht aus Spenden bezahlen könne, mache sie einen Rückzieher.

Das Haus der Demokratie könne allerdings der verbindende Ansatz werden, mit dem das konfliktträchtige Areal eine neue Deutung erfährt, findet Potsdams Linksfraktionschef Stefan Wollenberg. Diese Chance wolle seine Partei nicht ungenutzt lassen. Doch auf dem Weg dahin brauche es nun Transparenz. Die vom Oberbürgermeister beabsichtigte Offenlegung der Verträge zur Übertragung des städtischen Grundstücks auf die Stiftung wäre ein wichtiger Schritt. »Außerdem muss gesichert werden, dass ein Erbpachtmodell für die Fläche des Hauses der Demokratie nicht als Baufinanzierung für den Turm eingesetzt wird«, fordert Wollenberg.

Auf eine Rückfrage bei der Stiftung zum Spendenaufkommen, zur finanziellen Lage und zum Fortgang der Bauarbeiten ist bis Redaktionsschluss noch keine Antwort eingegangen. Eigentlich sollte der Kirchturm im Sommer 2022 fertig werden. Für das Kirchenschiff existiert kein gültiger Zeitplan.

Die Idee, statt eines historischen Abklatsches ein modernes Haus zu bauen, ist nicht neu. Schon vor Jahren machte der damalige Linke-Kreisvorsitzende Sascha Krämer einen solchen Vorschlag. Studenten griffen derartige Gedanken auf. Sie entwickelten gemeinsam mit Architekturprofessor Philipp Oswalt von der Universität Kassel und Designprofessor Steffen Schuhmann von der Kunsthochschule Berlin-Weißensee vor zwei Jahren auch noch andere Ideen, Rechenzentrum und Kirchturm miteinander zu vereinbaren und dabei keine Geschichtsklitterung zu betreiben. So identifizierten sie 52 Stellen in der Kirche, die einst mit Trophäen aus Kriegen geschmückt waren. Diese Stellen wollten sie Staaten zur Gestaltung überlassen, die Opfer des preußischen und deutschen Militarismus geworden sind.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1159411.stadtentwicklung-in-potsdam-frieden-mit-garnisonkirche.html