nd-aktuell.de / 10.01.2022 / Kommentare

Nachricht aus der Talsohle

Wolfgang Hübner über die Linke-Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl

Wolfgang Hübner

Frank-Walter Steinmeier wird weitere fünf Jahre Bundespräsident sein. Er hat die Zustimmung von SPD, Grünen, FDP und der Unionsparteien sicher. Zwei aussichtslose Gegenkandidaten von der Linken und vermutlich der AfD werden keinen Einfluss haben. Dass die Linkspartei nun einen Kandidaten nominiert, ist einerseits verständlich. Sie will raus aus der Talsohle, rein in die positiven Schlagzeilen und gleichzeitig ein paar Botschaften transportieren. Dafür ist der Sozialmediziner Gerhard Trabert gewiss geeignet – wie auch frühere Präsidentenkandidaten der Linken originäre Themen der Linken in die Debatte bringen sollten. Erinnert sei an Christoph Butterwegge, Luc Jochimsen, Peter Sodann und andere.

Es hätte andererseits aber auch eine Überlegung sein können, sich dem Votum für Steinmeier anzuschließen – bei aller Kritik, die man an ihm aus linker Perspektive üben kann. Aber immerhin hat er sich in den letzten Jahren entschieden gegen Rechtsextremismus und zunehmende Gewalt in der öffentlichen Corona-Auseinandersetzung gewandt; eine linke Partei hätte einem Kandidaten, der ausdrücklich für Demokratie und gegen Angriffe auf die Demokratie steht, durchaus zustimmen können. Auch in Erinnerung daran, dass bei der Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten Anfang 2020 die Front gegen die Antidemokraten eben nicht gestanden hat.

Nun ist der Name Trabert in den Medien. Dem Vernehmen nach beruht das auf einer Einigung der Partei-und Fraktionsvorsitzenden. Das ist – nachdem Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow jüngst eine zunehmende Entfremdung zwischen Partei- und Fraktionsführung konstatierte - ein Zeichen dafür, dass überhaupt noch etwas gemeinsam geht. Aber einen Kandidaten über die Medien zu lancieren und die Parteigremien dann faktisch als Staffage den Vorschlag abnicken zu lassen – das passt nicht zu einem demokratisch organisierten Neuanfang nach der vermasselten Bundestagswahl. Und ein anständiger Umgang mit dem Kandidaten ist es auch nicht.