nd-aktuell.de / 01.02.2022 / Politik / Seite 1

Russische Intellektuelle gegen Krieg mit der Ukraine

Künstler, Politiker und Schriftsteller rechnen mit dem Ukrainekurs des Kreml ab

Birger Schütz

Berlin. »Hauptsache, es gibt keinen Krieg« - mit dieser Losung aus der sowjetischen Vergangenheit ist ein offener Brief überschrieben, in dem russische Wissenschaftler, Politiker, Künstler und Menschenrechtler gegen die Ukraine-Politik des Kreml protestieren. Das Schreiben richte sich an die »Partei des Krieges in der russischen Führung«, heißt es in der am Montag auf der Webseite des liberalen Radiosenders Echo Moskwy veröffentlichten Erklärung. Russlands Bürger seien in der Ukraine-Krise zu Geiseln einer »kriminellen und abenteuerlichen russischen Außenpolitik« geworden. Niemand habe sie gefragt, ob sie einen Krieg mit dem slawischen Nachbarn Ukraine wollten. Eine öffentliche Diskussion dieser Frage gebe es nicht. Trotzdem litten gerade die einfachen Leute schon jetzt unter einem Anstieg der Preise, dem Verfall der Landeswährung und anderen Folgen des russischen Kurses im Ukraine-Konflikt. »Wer gab den Behörden das Recht, so mit ihrem Schicksal umzuspringen?«

Statt einer offenen Diskussion werde im Staatsfernsehen Hass gegen die Ukraine, die USA und westliche Länder gesät. Militärische Drohungen seien an der Tagesordnung. Den Menschen werde die Idee eines »heiligen Kampfes gegen den Westen« eingetrichtert. »Am gefährlichsten ist, dass Krieg als eine zulässige und unvermeidliche Entwicklung dargestellt wird«, heißt es in dem Brief, den bisher etwa 100 Intellektuelle unterschrieben - darunter die bekannte Schauspielerin Lija Achedschakowa, der Rockmusiker Andrej Makarewitsch und die Menschenrechtlerin und Flüchtlingsaktivistin Swetlana Ganuschkina. »Russland braucht keinen Krieg mit der Ukraine und dem Westen«, schließen die Aktivisten. »Keiner bedroht uns, keiner greift uns an.« Russlands Diplomatie müsse Krieg kategorisch ausschließen.

In Deutschland verteidigte am Montag der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen den Kurs der Bundesregierung, keine Waffen nach Kiew zu liefern. Dialog- und Gesprächskanäle mit Moskau könnten sonst zerstört werden. SPD-Chef Lars Klingbeil wies Vorwürfe zurück, seine Partei habe keinen klaren Kurs in der Ukraine-Krise. Die Äußerungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit Blick auf eine mögliche Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine durch Russland seien »klar und unmissverständlich«. In diesem Fall lägen alle Optionen auf dem Tisch, erklärte der Sozialdemokrat vor einem Gespräch von SPD-Spitzenvertretern über die Haltung zu Russland.