nd-aktuell.de / 02.02.2022 / Berlin / Seite 10

Arbeitsmarkt weiter auf Erholungskurs

In Berlin und Brandenburg steigt die Arbeitslosigkeit jahreszeitbedingt leicht, liegt aber unterm Vorjahreswert

Nicolas Šustr

Im ersten Monat des neuen Jahres ist die Arbeitslosigkeit in Berlin und Brandenburg saisonbedingt gestiegen. In der Hauptstadt lag die Quote laut der zuständigen Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit im Januar bei 9,1 Prozent, 0,3 Prozentpunkte über dem Wert von Dezember, aber 1,5 Punkte weniger als im Januar 2021. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit falle damit geringer aus als zu dieser Jahreszeit üblich, betonte die Leiterin der Regionaldirektion, Ramona Schröder, am Dienstag. »Schaut man zum Vergleich auf das Vorjahr, wird klar, dass sich die Lage am Arbeitsmarkt in der Tendenz weiter verbessert hat[1].«

Ähnlich war die Entwicklung in Brandenburg. Die Arbeitslosenquote lag im ersten Monat des neuen Jahres bei 5,7 Prozent. Das waren 0,3 Prozentpunkte mehr als im Dezember, aber 0,9 Punkte weniger als im Vorjahresmonat. »Das ist die niedrigste Arbeitslosigkeit in Brandenburg zu einem Jahresbeginn seit 1991«, hebt Ramona Schröder hervor. In Brandenburg spielt die Demografie eine erhebliche Rolle bei den niedrigen Zahlen - es gehen mehr Menschen in Rente, als auf den Arbeitsmarkt nachrücken.

In beiden Ländern blickt die Behörde optimistisch auf den Arbeitsmarkt. Sie rechnet in Brandenburg mit einem Wachstum der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse um 1,7 Prozent, in Berlin sogar um 2,9 Prozent.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg macht auf die steigenden Kurzarbeitsanzeigen aufmerksam. Das mache deutlich: »Das Instrument wirkt und ist notwendig. Wichtig ist jetzt, längere Ausfallzeiten für Weiterbildung zu nutzen«, sagt die DGB-Landesvorsitzende Katja Karger. »Die Gewerkschaften erwarten von den Arbeitgebern, jetzt in ihre Fachkräfte und damit in die vorhandene Innovationskraft zu investieren«, so Karger weiter. Das Land Berlin unterstütze die Beschäftigten dabei mit einer Weiterbildungsprämie von 250 Euro pro Monat.

»Allerdings muss jetzt dringend eine politische Antwort auf die Tatsache gegeben werden, dass bei zahlreichen Langzeitbeziehern von Kurzarbeitergeld die 24 Monate bald ausgeschöpft sind«, erklärt die DGB-Landesvorsitzende. »Diese Beschäftigten brauchen Perspektiven, und die gibt es in Anbetracht des Fachkräftebedarfs«, ist sie überzeugt. Seit Jahresbeginn ist die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge an die Betriebe nur noch möglich, wenn Beschäftigte während der Kurzarbeit an einer geförderten Weiterbildung teilnehmen.

Von »zwei Gesichtern« des Arbeitsmarktes in der Hauptstadtregion spricht Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. »Auf der einen Seite dauert die Corona-Durststrecke weiter an. Omikron hat wieder zu einer äußerst angespannten Lage für Hotels, Gaststätten, Kultur- und Messewirtschaft geführt«, sagt Schirp. Das seien schwierige Perspektiven für die Beschäftigung. Auch Schirp weist darauf hin, dass viele Betroffene die maximale Bezugsdauer beim Kurzarbeitergeld schon bald ausgeschöpft haben werden.

Auf der anderen Seite sei eine Reihe von Branchen trotz der Pandemie auf klarem Expansionskurs[2]. »Die Wachstumsbranchen sorgen dafür, dass es in diesem Jahr trotz aller Schwierigkeiten mehrere Zehntausend zusätzliche Stellen in Berlin und Brandenburg geben dürfte«, sagt Schirp.

Während die Arbeitslosigkeit im ersten Coronajahr 2020 um 66.500 gestiegen ist, ging sie 2021 wieder um 27.500 zurück. Vor allem dank dynamischer Unternehmen aus den Bereichen Digitalwirtschaft und Start-ups bleibe Berlin bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze mit einem Zuwachs von 58.000 Stellen gegenüber dem Vorjahr bundesweit an der Spitze. In Brandenburg fiel das Wachstum mit 16.000 zusätzlichen Stellen geringer aus. Hier seien Industrie, Logistik und der Sozialbereich die stärksten Zugpferde.

Die Berliner Senatsarbeitsverwaltung macht auf den hohen Anteil von Niedrigverdienern in der Hauptstadt aufmerksam. Rund jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte arbeitete demnach im Jahr 2020 für ein Entgelt unterhalb der Niedriglohnschwelle. Besonders betroffen seien Berufe der Körperpflege, Hotellerie, Gastronomie und Reinigung, dort gehört mehr als die Hälfte der Beschäftigten zu den Niedriglöhnern.

»Nicht nur im Erwerbsleben führen Niedriglöhne zu finanziellen Engpässen und Einschränkungen bei der gesellschaftlichen Teilhabe. Für den Ruhestand besteht so das hohe Risiko der Altersarmut«, erklärt Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke). »Um dies zu verhindern, braucht es einen bundesweiten Mindestlohn von 13 Euro pro Stunde«, so Kipping weiter. Berlin gehe mit der Erhöhung des Landesmindestlohns auf 13 Euro pro Stunde mit gutem Beispiel voran. Der entsprechende Beschluss soll bis Ende März fallen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160122.arbeitsmarkt-weniger-arbeitslose-als-im-lockdown-winter.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160338.berliner-wirtschaft-erholt-sich-unternehmer-sind-voller-optimismus.html