Ortskräfte klagen für Visa

Beschäftigte der GIZ ringen mit rechtlichen Mitteln um Schutz

»Die Bedrohungslage macht für die Betroffenen Familie das weitere Leben in Afghanistan unmöglich. Eine Einreise muss schnell ermöglicht werden«, so Matthias Lehnert gegenüber »nd«, der Abdul B. und weitere Familien in der Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vertritt, die in dieser Woche eingereicht wurde.

Es ging um nichts weniger, als Afghanistan in ein sicheres Land zu verwandeln. Nach dem Wunsch deutscher Regierungsinstitutionen, wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ, sollte Sicherheit durch gut ausgebildete afghanische Polizisten erreicht werden. Damit das in Afghanistan überhaupt begonnen werden konnte, musste vielen Polizist*innen zunächst lesen und schreiben beigebracht werden.

Abdul B. unterstützte das Ziel deutscher Projektmanager der GIZ und wurde in einem »Police Cooperation Programm« als Lehrer eingesetzt. Längst haben die deutschen Mitarbeiter der GIZ das Land verlassen und auch die afghanischen Organisatoren, die Abdul B. eingestellt hatten, mitgenommen. Ihnen wurde aufgrund ihrer Arbeitsverträge mit den als Besatzern geltenden deutschen Institutionen längst die Einreise gewährt. Abdul B. und seine Familie blieben jedoch im Land zurück. Der Grund: Für Abdul B. soll nur ein Werksvertrag bestanden haben, aus dem sich nicht dieselben Pflichten ableiten ließen, wie aus einem Arbeitsvertrag.

Die Bundesregierung zieht eine harsche bürokratische Linie, wenn es um die Aufnahme afghanischer Ortskräfte geht. Rund 25 000 Menschen wolle man evakuieren. Und das sind nur diejenigen, die direkt mit den deutschen Institutionen zu tun hatten. In der Klageschrift, die »nd« vorliegt, wird davon ausgegangen, dass insgesamt 2000 bis 3000 Personen im Projekt tätig waren, für das Abdul B. seine Heimat verloren hat. Die Zahlen des Alphabetisierungsprojektes stellte die GIZ gerne ins Rampenlicht, als es darum ging, das Projekt zu rechtfertigen. Von den Drohungen und Haftbefehlen gegen die ehemaligen Mitarbeiter ist nun aber ebenso wenig die Rede, wie von den Folterungen. Die Betroffenen harren in Verstecken aus, flüchten entweder innerhalb Afghanistans oder leben illegal in Pakistan.

»Nicht nur die Arbeitsverträge mit der GIZ, sondern auch mit anderen Bundesministerien sehen wir als problematisch an«, sagte Axel Steier von Mission Lifeline auf »nd«-Anfrage. Der Verein unterstützt gemeinsam mit Pro Asyl die Klagen. »Uns erreichen weiterhin täglich Hilferufe aus Afghanistan. Die Taliban suchen dort nach ehemaligen Ortskräften. Langes Zögern bei der Visavergabe und bei der Ausreise wird Menschenleben kosten«, so Steier weiter.

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