nd-aktuell.de / 17.02.2022 / Brandenburg / Seite 10

Die Corona-Hilfen laufen aus

Brandenburgs Wirtschaftsminister warnt vor: Am 30. Juni ist Schluss

Wilfried Neiße, Potsdam

Das Auslaufen aller staatlichen Corona-Hilfen sei absehbar. Spätestens Ende Juni werde es auch Brandenburgs Unternehmer betreffen. Diese »Vorwarnung« sprach Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Landtags aus. Steinbach begründete das damit, dass sämtliche Sonderzahlungen von der EU genehmigt sein müssen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe ihn wissen lassen, dass es zwar Gespräche über eine Verlängerung möglicher Corona-Hilfen über dieses Datum hinaus gebe. Mit der Verlängerung sei aber nicht zu rechnen. Brüssel habe das Datum 30. Juni gesetzt.

Bis dahin könne noch einmal eine Hilfe gewährt werden, ob sie nun Überbrückungshilfe 4a oder 5 genannt werde. Die Lage könne sich allerdings ändern, wenn eine neue Virusvariante auftaucht und diese das Infektionsgeschehen grundlegend verändert. Laut Steinbach zahlte allein Deutschland mehr als die Hälfte sämtlicher staatlichen Corona-Hilfen aus, die in Europa gewährt worden sind. Brandenburgische Firmen haben in den vergangenen zwei Jahren insgesamt 1,5 Milliarden Euro erhalten.

Der Wirtschaftsausschuss befasste sich einmal mehr mit den ersten Corona-Monaten im Frühjahr 2020, als Soforthilfen zügig ausgezahlt und als nicht rückerstattungspflichtig deklariert worden waren. Selbstständige und Unternehmer sollten damals ihre Aussichten für die folgenden Monate abschätzen. Wenige Wochen später, Anfang April 2020, nahm das Wirtschaftsministerium davon Abstand. Es wurden zwar weiterhin Gelder bewilligt, nun aber unter veränderten Regeln und mit der Möglichkeit für den Staat, bei einem nicht bestehenden Bedarf die Summen zurückzufordern. Personal- und Lebenshaltungskosten sollten nun nicht mehr als Begründung für die Hilfen dienen. Laut Steinbach werden demnächst je ein Prozent der Empfänger von Bundes- und Landeshilfen unter die Lupe genommen.

Kleinstfirmen seien durch die geforderte Rückzahlung existenzbedroht, beklagte Linksfraktionschef Sebastian Walter[1]. »Sie haben denen ein Rettungsboot hingeschoben, und nun müssen sie feststellen, dass es ganz schön viele Löcher hat.« Unterstützung erhielt Walter vom Abgeordneten Philip Zeschmann (Freie Wähler), der bedauerte, es sei »tendenziell sinnlos«, mit dem Minister darüber weiterzudiskutieren.

Unternehmensberater Mike Marschke aus Eberswalde sieht in der Rückforderung »ein gebrochenes Versprechen und einen damit verbundenen massiven Vertrauensverlust in die Politik.« Er startete eine Onlinepetition gegen die Rückzahlung, die von bislang 817 Brandenburgern unzerzeichnet wurde.

Sind nun jene zur Rückzahlung verpflichtet, die glaubten, nichts zurückgeben zu müssen? Steinbach erklärte: »Soweit die Selbsteinschätzung zutreffend ist, sind sie aus der Rückzahlung raus.« Ihm zufolge wurden in der Anfangszeit der Corona-Pandemie 51 900 Anträge auf Unterstützung in Höhe von insgesamt knapp 958 Millionen Euro gestellt. 46 629 Anträge wurden bewilligt und 787 Millionen Euro ausgezahlt. Offen sei jetzt noch die Entscheidung über 2600 Anträge. Hinzu kämen mehrere Hundert Anträge, die sich auf Verluste von Herbst 2021 bis Frühjahr 2022 beziehen.

Linksfraktionschef Walter sprach vom »ehrlichen Kaufmann«, der, auf die erste Richtlinie vertrauend, seine »Existenz gesichert« habe und nun in einem Brief des Ministeriums lesen müsse, dass ihm bei Subventionsbetrug fünf Jahre Gefängnis drohen. Offenbar müssten nun Gerichte darüber entscheiden, ob der 2. oder der 9. April 2020 als Stichtag für den Wechsel der Förderbedingungen anerkannt werde, sagte Walter.

Der Minister bekannte sich dazu, dass bei den Corona-Hilfen im Galopp die Pferde gewechselt wurden. Dass die Lage keineswegs so dramatisch sei, wie von der Opposition geschildert, sei unter anderem daran zu erkennen, dass verhältnismäßig wenige von der angebotenen Stundung und Rückzahlung in Raten Gebrauch machten.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1135019.coronakrise-im-landtag-den-arsch-breit-sitzen.html