nd-aktuell.de / 18.02.2022 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 14

Pläne gegen die Wohnungsnot

Verbände fordern auf dem Wohnungsbautag mehr bezahlbaren Wohnraum

Lisa Ecke

Seit Jahrzehnten fallen immer mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung. Heute gibt es nur noch rund 1,1 Millionen Sozialwohnungen, im Jahr 2006 waren es noch über zwei Millionen. Die Ampelregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, jährlich 100.000 neue zu schaffen. »Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, wenn man bedenkt, dass in den letzten Jahren jeweils weniger als 30.000 geschaffen worden sind«, kommentiert Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbundes. »Wir müssen zunächst einmal dafür sorgen, dass die Anzahl der Sozialwohnungen nicht weiter zurückgeht«, so Siebenkotten. Dazu brauche es »richtig viel« Geld.

Das Verbändebündnis Wohnungsbau, zum dem unter anderem auch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft, die Gewerkschaft IG BAU und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) gehören, hatte am Donnerstag zu einem Wohnungsbautag eingeladen. Mit den bisherigen Fördermitteln allein werde man das Problem nicht lösen können, meint Siebenkotten. Dafür brauche es mehr finanzielle Mittel. Es könne aber sowieso nicht alles nur durchs Bauen geregelt werden. Man könne auch im Bestand was machen. »Zum Beispiel durch Belegungsbindung und dadurch, dass man dafür Sorge trägt, dass die Mieten nicht noch weiter steigen«, so der Mieterbundchef.

Die sieben Vertreter der anderen Verbände plädierten hingegen hauptsächlich für mehr Neubau. Dafür brauche es niedrige bürokratische Hürden, kürzere Verfahren bei der Genehmigung und eine effektive Förderung, so das Verbändebündnis. Neben der baulichen Erschließung freier Flächen sei auch die Dachaufstockung bei bestehenden Gebäuden notwendig. Durch solche On-Top-Etagen wären rund 1,5 Millionen neue Wohnungen möglich. Ebenso gebe es Potenzial beim Umbau von Gewerbeimmobilien zu Wohngebäuden. Auch dies sei im Vergleich zum Neubau viel günstiger. Durch vermehrtes Homeoffice würden Büroflächen teils nicht mehr benötigt werden. Insgesamt könnten durch die Umwandlung 1,9 Millionen Wohnungen entstehen. Die Chance, deutlich mehr Wohnraum zu schaffen, ohne dafür auch nur einen Quadratmeter Bauland zusätzlich zu benötigen, müsse deutlich mehr genutzt werden, so das Verbändebündnis.

Das Bündnis spricht sich neben der Schaffung von mehr bezahlbaren Mietwohnungen[1] auch dafür aus, künftig mehr Menschen den Wunsch nach den eigenen vier Wänden zu erfüllen. Wohneigentum biete gerade Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen einen Schutz davor, durch hohe Mieten in die Altersarmut zu rutschen. »Die Ampelkoalition muss jetzt den Weg freimachen für klimaschonendes Bauen und Modernisieren, das für alle bezahlbar ist«, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. »Immer höhere Standards überfordern sowohl Bauherren als auch Mieter finanziell und bringen nicht den gewünschten Klima-Effekt.«

Eine von dem Verbändebündnis in Auftrag gegebene Studie des Kieler Bau-Beratungsinstituts Arge kommt zu dem Ergebnis, dass aktuell jährlich rund 50 Milliarden Euro in die energetische Sanierung investiert werden. Stiegen Modernisierungsrate und Anforderungen wie politisch gefordert an, werde sich diese Summe schnell verdrei- oder vervierfachen.

Die Studienautoren empfehlen daher eine staatliche Förderung in Höhe von mindestens 30 Milliarden Euro im Jahr. Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sprach hingegen auf dem Wohnungsbautag von einer Überförderung bei den Sanierungen zum Effizienzhaus. Der Grünen-Vizekanzler hatte zuletzt die Förderungen für klimafreundliches Bauen gestoppt. Zumindest für Sanierungen können ab kommender Woche allerdings neue Anträge auf Zuschüsse gestellt werden, kündigte Habeck an. Zudem solle es ab März wieder eine Neubauförderung geben – allerdings nur für einen höheren Standard als bisher, mit reduzierten Fördersätzen und gedeckelt auf eine Milliarde Euro. Die Kriterien für die energieeffiziente Förderung seien jahrelang nicht nachgeschärft worden, so Habeck. In Zukunft werde diese »anspruchsvoller« gestaltet werden.

Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag[2] beschlossen, bis zum Jahr 2045 einen klimaneutralen Wohnungsbestand zu schaffen. Dieses Ziel könne nur durch zusätzliche Steueranreize und neue Förderprogramme erreicht werden, so die Studienautoren. Die Wissenschaftler der Arge fordern daher, Kosten und Nutzen bei der Klimaschutz-Modernisierung gründlich abzuwägen, um das Wohnen nicht unverhältnismäßig teuer zu machen. Das neu geschaffene Bundesbauministerium sei ein erstes wichtiges Zeichen auf dem Weg zu bezahlbaren Wohnungen und bezahlbarem Klimaschutz, so das Verbändebündnis.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte am Donnerstag, der Bund werde den Ländern eine weitere Milliarde Euro zur Verfügung stellen, um Sozialwohnungen mit dem Standard eines »Effizienzhauses 55« zu schaffen. »Aber wenn wir 100.000 Sozialwohnungen in Deutschland jährlich bauen wollen, werden wir deutlich mehr[3] als diese zwei Milliarden brauchen«, betonte Geywitz. Es komme auch darauf an, ob sie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), dazu überzeugen könne, in diesen Schwerpunkt zu investieren, erklärte Geywitz. Auch müssten die Länder bei der Finanzierung mitziehen.

Links:

  1. http://www.nd-aktuell.de/artikel/1158173.armut-und-mietenwahnsinn-armutsrisiko-von-mietern-steigt.html?sstr=mieten
  2. http://www.nd-aktuell.de/artikel/1155817.mietenpolitik-plaene-fuer-bezahlbaren-wohnraum.html?sstr=Pl%C3%A4ne%20f%C3%BCr%20bezahlbaren%20Wohnraum
  3. http://www.nd-aktuell.de/artikel/1160468.bauen-bauen-bauen-bedingt-umsetzbare-bauplaene.html?sstr=mieten