nd-aktuell.de / 28.02.2022 / Kultur / Seite 12

Beste Metal-Band der Welt

Plattenbau. Die CD der Woche: »Synchro Anarchy« von Voivoid

Benjamin Moldenhauer

Es gibt ein neues Album von Voivod, der seit 40 Jahren besten Metal-Band der Welt. Also, »beste« eigentlich nicht seit ganz vierzig Jahren. Am Anfang spielten Voivod auf Platten mit Titeln wie »War and Pain«, »Rrröööaaarrr« oder »Dimension Hatröss« rumpeligen Thrash-Metal[1], zusammengehalten nur vom spürbaren Elan aller Beteiligten und nicht von irgendwelchen ausgeprägten musikalischen Fertigkeiten. Alles ein großer Spaß, der aber schon den Willen zum großen Wurf erkennen ließ. Die kanadische Band blieb eisern dran, Autodidakten allesamt, und entwickelte einen eigenen Stil zwischen allen Stühlen.

Seit 1989, dem Jahr, in dem der Welt das von kleinen musikalischen Wundern quasi überlaufende Album »Nothingface« geschenkt wurde, gibt es wenig Besseres im Metal-Genre als diese Band.

Und auf jeden Fall nichts eigensinnigeres. Diese Musik ist vertrackt und schön schräg gedacht, überraschend und trotzdem mit allem, was die Schönheit von Metal ausmacht: Energie, Schalldruck, Theater und Spinnkram. Und sie, die Musik von Voivod, transformierte sich im Lauf der Jahre mehrmals: vom Thrash der Anfangsjahre über weirden progressive metal hin zu Grunge-artigem und Industrial-Rock, um heute wieder am Strang weiterzuspinnen, der mit »Nothingface« begann. Auch was an der Musik an Voivod vergleichsweise vertrackt ist, gründet immer im ersten, ursprünglichen Impuls: Krach und Wucht. Voivod hatten noch in den musikalisch eigensinnigsten Songs immer eine Freude am Eindimensionalen und Robusten, an Motörhead und am Punk von Crass und Discharge.

Wenn ich zehn Alben für die einsame Insel [2]aussuchen müsste, es wären mindestens drei von Voivod dabei. Das neue, »Synchro Anarchy«, eventuell nicht. Obwohl, man wird es erst in ein paar Wochen sagen können. Diese Musik hat es so an sich, dass sie mit jedem Hören ein wenig anders klingt und also, wie man so sagt, wächst. Beim ersten Durchgang ist man noch leicht genervt, die Songs wirken erratisch, aus disparaten Teilen zusammengesetzt, nichts will wirklich passen. Und je öfter man das dann hört, desto mehr stellt sich ein Flow ein, den so nur diese Band hinbekommt. Bis hin zu dem euphorischen Eindruck, dass das alles nicht nur von einer ganz eigenen, sondern auch von der einzig sinnvollen musikalischen Logik regiert wird.

Zusammengehalten wird das alles von einer Double Bass, die läuft wie aufgezogen, und einem warmen Bass. Der Flow dieser Musik hat unter anderem den Effekt, dass Voivod nie wirklich hart klingen. Die Songs auf »Synchro Anarchy« sind sicher wieder irgendwie »progressive«, in dem Sinne, dass sie kompliziert gebaut sind. Nur eben mit einen Tick gegeneinander verschobenen Rhythmen, seltsamen Gitarrenläufen, komplexen Songstrukturen und einer Spielfreude, die einen dauerhaft, ja ein ganzes Metalfan-Leben lang bezaubern kann. Hat man sich erst einmal wieder eingefunden, grinst man beim Hören von »Synchro Anarchy« blöd vor sich hin und freut sich, von Anfang bis Ende.

Voivod: »Synchro Anarchy« (Century Media Records/Sony Music)

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1096838.oneohtrix-point-never-ist-das-noch-pop.html?sstr=trash|metal
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1110137.literatur-heavy-metal-kann-so-schoen-sein.html?sstr=Eiserne%20Insel