nd-aktuell.de / 23.03.2022 / Politik / Seite 1

Lindner stimmt auf harte Zeiten ein

Finanzminister stellt Entwurf für Bundeshaushalt 2022 vor und wirbt für das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen fürs Militär

Jana Frielinghaus

Trotz der Unwägbarkeiten infolge des Ukraine-Krieges will die Bundesregierung an geplanten »Zukunftsinvestitionen« festhalten. Das kündigte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag im Bundestag an. Zugleich betonte er, die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sei angesichts des Krieges und seiner Folgen – unter anderem Knappheit und steigende Preise bei Energieträgern und Lebensmitteln – »von großer Unsicherheit geprägt«.

Lindner plant bisher für 2022 mit einer Neuverschuldung von 99,7 Milliarden Euro. Diese dürfte aber noch deutlich steigen: Der Minister bekräftigte, er werde »möglichst bald« einen Ergänzungshaushalt vorlegen, in dem weitere staatliche Reaktionen auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine »abgebildet« werden sollen.

Er kündigte zugleich an, es werde eine Reihe von Schwerpunkten aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auf den Weg gebracht. Der Etat 2022 sei »der erste Schritt, unser Land moderner, nachhaltiger, digitaler und freier zu gestalten«.

Der FDP-Chef pocht trotz der Herausforderungen, die auch weiterhin nicht nur aus dem Krieg, sondern unter anderem auch aus der Corona-Pandemie resultieren, darauf, die sogenannte Schuldenbremse bereits 2023 wieder einzuhalten. Er setze darauf, »dass im kommenden Jahr eben keine Notlage mehr besteht«, die eine Ausnahme vom Verbot einer Nettoneuverschuldung im Grundgesetz ermögliche. Das Einhalten der Schuldenbremse sei dann ein »Befehl unserer Verfassung«, so Lindner. Staatsfinanzen würden »beschädigt«, wenn nach einer Krise die Rückkehr zur haushaltspolitischen Normalität nicht gelinge.

Andere Maßstäbe gelten für das sogenannte Sondervermögen Bundeswehr[1] in Höhe von 100 Milliarden Euro, dessen Einrichtung Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 27. Februar verkündet hatte. Das Sondervermögen soll nach dem Willen von Scholz und Lindner auch im Grundgesetz verankert, also auf lange Sicht von allen Sparzwängen ausgenommen werden. Finanziert werden soll es über Staatskredite. Es gehe darum, die angeblich »viele Jahre vernachlässigte Bundeswehr wieder zu stärken«, sagte Lindner. Der Finanzminister verteidigte die gewählte Konstruktion des Sondervermögens. Die Alternativen Steuererhöhungen oder ein »dauerhaftes Aufweichen der Schuldenbremse« wären »demgegenüber nachteilig gewesen«.

In der Haushaltswoche werden alle Einzelpläne der Ministerien zur Diskussion gestellt. Zum Auftakt der Etatdiskussion warnte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) davor, angesichts des Krieges den Umweltschutz zu vernachlässigen. »Der völlig falsche Ansatz wäre es jetzt, die ökologischen Fragen zurückzustellen«, sagte sie und fügte hinzu: »Die Klimakrise und das Artensterben sind eben auch zwei Krisen, die existenziell für die Menschheit sind.« Auch angesichts der Sorgen um die Energiesicherheit dürfe der Wiedereinstieg in die Atomkraft keine Option sein[2], mahnte Lemke. Ihr Ressort muss dem Haushaltsentwurf zufolge mit einem reduzierten Etat rechnen. Er sieht für das laufende Jahr Ausgaben von rund 2,2 Milliarden Euro und damit rund 456 Millionen weniger als im Bundeshaushalt 2021 vor. Dies hat allerdings auch etwas damit zu tun, dass der Bereich Klimaschutz ins Bundeswirtschaftsministerium verlagert wurde.

In der Debatte um den Etat des FDP-geführten Verkehrsministeriums kritisierte der Linke-Abgeordnete Victor Perli, die Verkehrspolitik der Ampelkoalition sei »weder sozial gerecht noch klimafreundlich«[3]. Die Preise im öffentlichen Verkehr stiegen weiter an, während der Haushaltsentwurf noch hinter den ohnehin wenig ambitionierten Koalitionsvertrag zurückfalle. Zugleich nutzten Ölkonzerne den Krieg aus, um sich »Extraprofite« zu sichern. All dem werde nichts entgegengesetzt. Besser, als »über Nacht« 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung zu mobilisieren, wäre ein »100-Milliarden-Sonderprogramm für Bus und Bahn«, so Perli. Ein Vorbild könne Neuseeland sein, wo die regierende sozialistische Partei jüngst »die Fahrpreise halbiert und die Steuern auf Benzin gesenkt« habe.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162384.derappell-appell-gegen-das-sondervermoegen.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162016.ukraine-krieg-keine-sichere-energieversorgung-durch-erdgas-und-atom.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162205.tankzuschuss-souveraenitaet-zurueckgewinnen.html