nd-aktuell.de / 28.03.2022 / Politik / Seite 5

Linke-Vorstand will Ältestenrat ablösen

Parteispitze distanziert sich von Relativierung zum Angriff Russlands auf die Ukraine

Jana Frielinghaus
Hans Modrow, hier im Oktober 2019 im nd-Interview, gilt als Urheber der Formulierung zum Ukraine-Krieg, die in der Partei für Empörung sorgte
Hans Modrow, hier im Oktober 2019 im nd-Interview, gilt als Urheber der Formulierung zum Ukraine-Krieg, die in der Partei für Empörung sorgte

Ein Papier aus dem Ältestenrat der Linken sorgt in der Partei für Empörung. Der Grund ist ein Satz in einer fünfseitigen Mitteilung über eine Beratung des Gremiums, die vergangenen Dienstag an einige Redaktionen versendet wurde. Er lautet: «Die Frage, wie weit der Krieg in der Ukraine nun ein Einmarsch russischer Truppen ist oder sich als ein innerer Bürgerkrieg der Kräfte in den neuen Ost-Staaten und faschistischen Elementen im Westen der Ukraine darstellt, steht im Raum.»

Nachdem dieser Satz von der Journalistin Miriam Hollstein (Funke-Mediengruppe) via Twitter skandalisiert worden war, wiesen zahlreiche Parteimitglieder die Aussage als Relativierung der Kriegsschuld Russlands scharf zurück. Linke-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler schrieb auf Twitter: «Wir werden eine Relativierung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen Ukraine nicht hinnehmen. Die zuständigen Gremien werden nun über entsprechende Konsequenzen beraten.» Und die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss sprach von «Dreck, den da irgendwer» aus dem Ältestenrat formuliert habe. Es sei «an der Zeit für Konsequenzen».

Über solche wurde nun am Samstag im Linke-Bundesvorstand beraten. Beschlossen wurde «in großer Einmütigkeit», wie Lars Peters, stellvertretender Pressesprecher der Linke-Spitze, dem «nd» sagte, dass der Ältestenrat neu berufen werden soll. Dafür will die Parteispitze Ende April «Struktur und zukünftige Arbeitsweise des Ältestenrates im Parteivorstand beraten und beschließen». Zuvor soll es laut dem Beschluss, der «nd» vorliegt, ein Gespräch der Parteispitze mit dem Gremium geben, dessen Vorsitzender Hans Modrow [1]ist, 1989/90 Ministerpräsident der DDR. Der Vorstand unterstreicht zugleich, der Ältestenrat sei ein «wichtiges Gremium», es solle «in Zukunft eine engere Zusammenarbeit» mit ihm geben. Aus Vorstandskreisen verlautete am Sonntag, der schwer erkrankte Modrow solle diesem nicht mehr angehören.

Die Formulierung im Ältestenratspapier wird im Vorstandbeschluss als «inakzeptabel» zurückgewiesen. Sie stehe im Widerspruch zur Position von Partei und Bundestagsfraktion. Allerdings hatten sich bereits am 24. März drei Mitglieder des Ältestenrates - Anni Seidl, Friederun Fessen und Sybille Stamm - von dem Papier distanziert. Es habe dem Gremium nicht vorgelegen und sei dort auch nicht «abgestimmt oder beschlossen worden». Die Frauen stellten klar, es handle sich um einen «verbrecherischen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine». Das dürfe «nicht relativiert werden.» Ebenfalls am Mittwoch versendete der Ältestenrat eine geänderte Fassung der Mitteilung, in der der strittige Satz durch folgende Formulierung ersetzt ist: «Mit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sind größte Gefahren für die Erweiterung des Krieges verbunden.

Der Ältestenrat ist ein vom Vorstand berufenes Gremium, das nichts entscheiden, aber diesem Vorschläge oder Empfehlungen unterbreiten kann. Zwischen Ältestenrat und Parteispitze kriselt es seit längerem. Im Januar hatte Hans Modrow[2] dem Vorstand in einem Brief an die Vorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow mangelnde Verbindung zur Basis und eine zu starke Orientierung am Mitregieren vorgeworfen. Kurz zuvor war Christa Luft,[3] letzte Wirtschaftsministerin der DDR, unter ähnlichen Vorwürfen aus der Linken ausgetreten.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162105.ukraine-krieg-ich-fuehle-mich-um-fast-jahre-zurueckversetzt.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160784.linkspartei-in-der-linken-muss-alles-auf-den-pruefstand.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160217.parteiaustritt-aus-der-linken-christa-luft-weder-analyse-noch-selbstkritik.html