nd-aktuell.de / 27.04.2022 / Berlin / Seite 9

Es bröckelt weiter

Der Krieg in der Ukraine macht es schwerer, gegen den Sanierungsstau in der Hauptstadt vorzugehen

Patrick Volknant

»Sie wissen alle, wie die Situation ist«, sagt Babro Dreher bei der Jahrespressekonferenz der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (Bim) am Dienstag. Laut der Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Finanzen stellt der Sanierungsstau in der Hauptstadt nach wie vor ein Problem dar[1]. »Es ist durch die kriegerischen Auseinandersetzungen nicht gerade einfacher geworden«, sagt Dreher mit Blick auf die Ukraine. Bodenpreis- und Baupreiserhöhungen machten Sanierungsprojekten zu schaffen. Auch der »wahnsinnige Fachkräftemangel« fordere seinen Tribut: »Man kann vieles nicht so schnell verwirklichen, weil man das Personal nicht dahinter hat.«

Für mehr als 5000 Gebäude und Grundstücke trägt die Bim derzeit Verantwortung. Das eigene Bauvolumen konnte das Unternehmen im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um rund 20 Prozent auf 232 Millionen Euro erhöhen. Was dem jedoch gegenübersteht, ist ein Sanierungsstau von knapp 3,6 Milliarden Euro. Insbesondere bei Immobilien des Landes gibt es einiges aufzuholen: Es geht um Finanzämter, Gerichtsgebäude, berufsbildende Schulen, aber auch Gebäude der Feuerwehr und insbesondere der Polizei. Auf letztere entfällt allein schon über eine Milliarde Euro des gesamten Sanierungsstaus.

»Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir uns hier weiterentwickeln können und zu mehr Kapital kommen«, sagt Bim-Geschäftsführerin Birgit Möhring. Derzeit gehe das Unternehmen von einem Baupreisanstieg von teilweise bis zu 6,5 Prozent aus. Generell werde daran gearbeitet, die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine für das Unternehmen zu beziffern. Doch: »Man kann schon jetzt sagen, dass wir überall Kostensteigerungen haben werden.« Durch unterbrochene Lieferketten dauerten die Projekte deutlich länger als sonst, erklärt Möhring. Dies wiederum sorge für weniger Auftragnehmer. »Wenn es länger dauert, kostet es sowieso mehr Geld.« In manchen Fällen müsse sogar neu ausgeschrieben werden, weil bisherige Auftragnehmer nicht mehr imstande seien, die vereinbarten Leistungen zu erbringen.

Laut Sven Lemiss, neben Möhring ebenfalls Geschäftsführer der Bim, werden Ausschreibungen derzeit mit Preisgleitklauseln versehen, die Kostenanstiege antizipieren sollen. »Es macht keinen Sinn, sich heute darüber zu freuen, dass man Leistungen vergibt, die morgen dann 30 Prozent mehr kosten«, sagt Lemiss. Bei längerfristigen Baumaßnahmen würden entsprechende Verhandlungen im Nachhinein geführt, um nicht gänzlich ohne Auftragnehmer dazustehen.

Für Frust sorgen laut Lemiss künftige Projekte: »Was uns quält, ist, dass es überall da, wo wir noch nicht anfangen konnten, gerade teurer wird.« Insgesamt hielten sich die Schwierigkeiten mit unterbrochenen Lieferketten jedoch im Rahmen. »In der Breite funktioniert das noch«, versichert Lemiss.

Von Sanktionsmaßnahmen gegen Unternehmen und Einzelpersonen sieht sich die Bim nur am Rande betroffen. Ständig werde auf Übereinstimmungen mit aktuellen Sanktionslisten überprüft, so Birgit Möhring. »Bisher haben wir nur russische Mindestbeteiligungen[2]«, sagt die Geschäftsführerin. Jenseits der Listen dürfe generell nicht mehr mit Gesellschaften zusammengearbeitet werden, an denen ein russischer Gesellschafter den überwiegenden Anteil halte.

»Es gibt natürlich immer Tendenzen, Dinge dann so zu organisieren, dass ein anderer wirtschaftlich Berechtigter in den Vordergrund rückt«, sagt Möhring. »Dagegen können wir aber nichts machen.« Beim Bau des Alexander Towers in Mitte, der mit einem russischen Investor in Verbindung gebracht wurde, seien allerdings Fristen verstrichen. Hier werde man perspektivisch den Rücktritt vom Vertrag prüfen, sagt Möhring.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1154130.oeffentliche-hand-baut-weniger-neue-langsamkeit-beim-bauen.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162213.sanktionen-gegen-russische-oligarchen-der-rubel-steckt-im-betongold.html