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Weltgeist & Eis-Ente

Früher war Gabriele Riedle Kriegsreporterin, jetzt schreibt sie Romane - zum Glück

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Jahre war Gabriele Riedle mehr oder weniger die einzige Reporterin, die für Gruner + Jahr aus den Krisengebieten unserer schnöden Welt in den guten deutschen Bürgerstuben für ein paar Augenblicke derart viel Angst und Schrecken verbreiten konnte, dass sich der Eichenschrank konjugierte, der Studienrat die Stirn krauszog und der Birkenstockpantoffel Funken schlug.

Nachdem sie 2015 ihre Kündigung erhalten hatte und ihre Zukunftsängste daraufhin medial thematisierte, beschäftigt sie sich nur noch mit dem Romanschreiben. Was für ein Glücksfall für die deutsche Literatur, es gibt nur wenige Personen, die so deutlich wie Riedle wissen, wo der Feind und die Feindin stehen und das in ihren Büchern ohne moralinsauren Duktus thematisieren können. Nun ist mit »In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg« ihr dritter Roman in der Anderen Bibliothek erschienen, leider nicht in einem großen Publikumsverlag. Wahrscheinlich ist Riedle nicht gefällig genug und wird von Vorstandsstrategen als Problembärin eingeordnet. Und so eine Problembärin ist naturgemäß erst dann gut, wenn sich mit ihr Kasse machen lässt.

Geprägt von Emma Peel und Winnetous Schwester wächst Riedle im braven Stuttgart auf, um irgendwann von dort aufzubrechen und über die schlimmen Dinge, die Menschen in der Lage sind zu tun, zu berichten. Losgeschickt von einem Chef in Hamburg (oder Manhattan), der im Gegensatz zu ihr bei den Schampusempfängen vergessen hat, dass die Wurzel allen Übels der Kapitalismus ist.

In einem vom männlichen Blick geprägten Berufsstand war Riedle dann eine der wenigen Frauen, die in Bombennächten, Massenmordszenarien und dem tödlichen Geknatter der Maschinenpistolen darauf wartete, mit ihrem Fotografen und einem waghalsigen einheimischen Führer (beziehungsweise Übersetzer) loszurennen, um beispielsweise einem blutrünstigem Kindersoldatengeneral in Liberia das Mikrofon an die Lippen zu pressen.

Lange Jahre war Gabriele Riedle in den Krisengebieten unserer Welt unterwegs, bis irgendwann im vom Bürgerkrieg zerrissenen Libyen der englische Fotograf Tim von einer Granate zerfetzt wird. Tim ist genau der eine Tote zu viel in ihrer Totenliste. Ein Schalter stellt sich quer, die Beschreibung der Gemetzel gerät ins Stocken, die Autorin wird in der Folge für die Chefredakteure unbrauchbar. In diesem Moment wurde die originäre Romanautorin geboren. Die brettharte Feinironikerin Gabriel Riedle, immer mit dem Tod auf dem Rücken, trotzte fortan dem schnöden Unterhaltungsgedanken des Chefs und seiner Eis-Entenschar (den Herrinnen der Werbeerträge) mit bitterem Witz.

Mit ihrer sehr eigenen, unberechenbaren, von Schmerz und Ironie gleichermaßen getragenen, bedrückend schönen Sprache, nimmt sie uns eine Weile mit durch das Welt-Leid und seine journalistische Verwertung. Ihr dritter Roman ist ein großartiges Buch ohne Gnade und beschreibt ihren persönlichen Weg in den Abgrund. Sie führt uns direkt ins Herz der Bestie Mensch, wo der Tod eine Erlösung ist und alle Hoffnung sich auf die tägliche Beschaffung von etwas Wasser und einer Scheibe Brot konzentriert. Wie ist unsere Welt? »Die Schimmel bildeten einen schönen weißen Fleck, der umgeben war von breiten Ringen der Fäulnis.« Was für ein Buch, fast zittern mir noch immer die Hände, so sehr hat mich der Sound Riedles gepackt.

Gabriele Riedle: In Dschungeln. In Wüsten. Im Krieg.: Eine Art Abenteuerroman, Berlin, Die Andere Bibliothek, Band 447, 280 S., geb. 44 €

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