Villen bewundern, Heiden bewandern

Der Reiseführer »Berlin außenrum« verspricht Spaß für den kleinen Geldbeutel

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Gabriele Tröger und Michael Bussmann haben nix Gescheites gelernt, nur studiert: Germanistik. So stellen sich die beiden vor, die aus Süddeutschland stammen, in Berlin-Kreuzberg leben und seit den 1990er Jahren Reisebuchautoren sind. In ihrem neuen Reiseführer »Berlin außenrum« sammeln sie in 34 Kapiteln 34 Möglichkeiten, in Brandenburg etwas zu erleben.

Sympathisch ist, dass sie darauf achten, dass es nicht zu teuer wird, möglichst nicht mehr als acht Euro Eintritt oder Ausleihgebühr pro Person kostet, damit sich auch Familien mit Kindern den einen oder anderen Spaß gönnen können. Etliche kostenlose Vergnügungen werden empfohlen, Wandern in der Reicherskreutzer Heide etwa, eine Radtour im Naturpark Barnim oder ein Spaziergang in der Villenkolonie Neubabelsberg. Nur die An- und Abreise mit Bus und Bahn wäre dann zu bezahlen. Die wird beschrieben, außer sie ist so kompliziert, dass die Autoren für das Auto plädieren. Ein paar Erlebnisse, für die tief in die Tasche gegriffen werden muss, sind auch enthalten. So eine Floßfahrt für rund 250 Euro oder ein Fünf-Gänge-Menü in einem Sternelokal für 115 Euro. Dagegen 15 Minuten als Passagier im Segelflugzeug über Brandenburg/Havel für 20 Euro – das ist zwar abgehoben wegen der 500 Meter, die es hinauf geht in den Himmel, aber nicht wegen der Summe, die der Segelfliegerverein dafür verlangt.

»Berlin außenrum« ist anders als andere Reiseführer. Auffällig das Bemühen, über die eigenen Erlebnisse so schön zu schreiben, dass es schon Spaß macht, darüber zu lesen, beispielsweise über eine Fahrt mit dem Judith getauften Floß: »Wir unterqueren Brücken, passieren die Engstelle von Caputh. Grüßen andere Hobby-Kapitäne. Nicht aber die nervenden Poser mit ihren schnell vorbeijagenden Motorbooten. Sie lassen unsere Judith schaukeln. Schwipp, schwapp. Im Schwielowsee werfen wir Anker, schwimmen eine Runde und packen unser Picknick aus: Weißbrot, Thunfisch, Tarama, Gurke. Wir kauen und schauen.« Fotos zeigen Gabriele Tröger beim Paddeln und Skaten. Sie hat das also wirklich selbst ausprobiert. Wer sich in Brandenburg auskennt, kann bestätigen, dass die Tipps von Tröger und Bussmann gut sind.

Manchmal überziehen sie mit ihrer flotten Ausdrucksweise. Wo in Neubabelsberg US-Präsident Harry S. Truman 1945 »in die Federn pupste und nebenbei die Atombombe gen Hiroshima schickte«, sollte doch bei einer derart grausamen Geschichte feinfühliger geschildert werden. Im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt amüsieren und gruseln sich die beiden gelernten Wessis, aber in der alten SED-Politbürosiedlung wundern sie sich wie viele Besucher vor ihnen, wie schlicht und schmucklos die Häuser doch sind, in denen Erich Honecker und andere »Bonzen« lebten. Damit das Weltbild wieder stimmt, schnell der Satz: »Hunderte Bedienstete sorgten dafür, dass es Honecker, Mielke, Schabowski, Krenz & Co jemütlich hatten. Sie bekamen Westwaren geliefert, während das Volk am Konsum anstand.« Die DDR-Kompetenz geht den Autoren ab. Das Institut für Lehrerbildung in Neuzelle machen sie zum Institut für Lehrerfortbildung. Aber immerhin interessieren sie sich für diese Dinge. Das Gesamturteil über den Erlebnisreiseführer: zum Lesen und Nachahmen empfohlen!

Michael Bussmann, Gabriele Tröger: »Berlin außenrum. Überlandabenteuer Brandenburg«, Michael-Müller-Verlag, 240 Seiten, 17,90 Euro

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