Mieter sollen letzte Bäume verlieren

Fünf weitere mächtige Schwarzpappeln sollen an der Petersburger Straße fallen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Stehen der klimafreundlichen Petersburger Straße im Weg: Fünf Schwarzpappeln
Stehen der klimafreundlichen Petersburger Straße im Weg: Fünf Schwarzpappeln

Mehr Grün und gute Radwege. Die Erneuerung der Petersburger Straße in Friedrichshain zwischen Landsberger Allee und Bersarinplatz soll ein Vorzeigeprojekt für den ökologischen Umbau der Stadt werden. Doch dafür sollen fünf mächtige Schwarzpappeln in einem Hof am Haus Petersburger Straße 26 fallen. »Wir sind alle entsetzt und geschockt, dass nun auch noch die letzten fünf Bäume gefällt werden sollen«, sagt eine Vertreterin der Initiative »Erhaltet unsere grünen Friedrichshainer Innenhöfe« zu »nd«. Denn damit würde der letzte Rest Grün aus dem einst lauschigen Hof verschwinden.

»Die beabsichtigen Baumfällungen stehen in keinem Zusammenhang mit unserem Bauprojekt. Vielmehr handelt es sich um ein Anliegen der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz«, sagt Matthias Borowski, Sprecher der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM). Die Pappeln, die sehr dicht an der Grundstücksgrenze zum öffentlichen Straßenland stehen, müssten gefällt werden. »Der Gehweg ist bereits durch die Wurzeln beschädigt und eine oberflächennahe Durchwurzelung feststellbar«, so Borowski weiter. Vor Ort wirkt es allerdings nicht so, als ob sich nicht eine Lösung finden ließe, bei der der Gehweg erneuert und die Bäume erhalten werden können.

»Es ist ein Unding, dass fünf gesunde Bäume für eine möglicherweise künftig ökologisch wertvoll neugestaltete Petersburger Straße fallen müssen«, sagt die Vertreterin der Initiative. »Wurde denn überhaupt geprüft, ob es nicht Möglichkeiten gegeben hätte, mit einer anderen Gehweggestaltung die Bäume zu retten?«, will sie wissen.

Nach Redaktionsschluss der Druckausgabe äußerte sich die Mobilitätsverwaltung auf eine kurzfristige »nd«-Anfrage. Die Wurzeln der Bäume könnten nicht einfach entfernt werden, »ohne die Standsicherheit der Bäume und damit die Verkehrssicherheit massiv zu gefährden«, erklärt Verwaltungssprecher Jan Thomsen. Er kündigt Ersatz an: »Im Zuge der Gesamtmaßnahme besteht die Notwendigkeit zur Fällung von insgesamt etwa 16 Straßenbäumen. Zugleich sind aber rund 140 Neuanpflanzungen im Bereich der Grün- und Pflanzstreifen sowie ergänzende Zwischenpflanzungen im Mittelstreifen vorgesehen.« Das gesamte Projekt sei auch ein Begrünungsprojekt – weil ein Vielfaches vom Grün, das weichen muss, neu angepflanzt wird.

Der WBM-Sprecher Matthias Borowski tritt Gerüchten entgegen, dass der wahre Grund für die Fällung eine mangelnde Tragfähigkeit der Pintschstraße für den Baustellenkran ist und daher eine Aufstellung an der Petersburger Straße vorgesehen ist, was die dortigen Bäume behinderten. Dies sei »nicht zutreffend«. 

Im Januar sorgte eine große Fällaktion für Aufruhr. Denn die WBM hat das Baufeld freigemacht für ein neues Haus mit 29 Wohnungen im Südteil des Hofes an der Pintschstraße. Polizei und Sicherheitsdienst waren angerückt, um die Arbeiten zu ermöglichen. Aktivistinnen und Aktivisten hatten Bäume besetzt, die ehemaligen Mitglieder der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Michail Nelken und Gaby Gottwald, waren bei den Protesten ebenfalls zugegen. »Wir dachten schon, die Bäume sind gerettet und Anfang letzten Jahres hieß es dann wieder: ›Es wird doch gebaut‹«, berichtete damals Kirsten Reinhold von der Initiative »Erhaltet unsere grünen Friedrichshainer Innenhöfe«.

»Der Innenhof der Pintschstraße ist zu DDR-Zeiten geplant unbebaut gewesen für Licht, Luft, Sonne, Freizeit. Er ist daher keine zu bebauende Fläche«, sagt Gaby Gottwald zu »nd«, die inzwischen Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksverordnete der Linksfraktion ist. »Meiner Meinung nach dürfte daher der Lückenbebauungs-Paragraf 34 des Baugesetzbuches gar nicht angewandt werden«, so Gottwald weiter. Rechtlich sei diese Sichtweise aber strittig, räumt sie ein.

»Auf das Drama an der Pintschstraße nun noch weitere zu setzen und noch mehr Bäume zu fällen, verdeutlicht nur unsere Position: Der Innenhof ist kein Bauland, sondern eine geplante Freifläche, die erhalten werden sollte«, sagt Gaby Gottwald.

Nun muss der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zunächst prüfen, ob eine Fällung zulässig ist. Vor Oktober ist sie aus Naturschutzgründen nicht zulässig.

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