nd-aktuell.de / 11.06.2022 / Wissen / Seite 1

Bestimmt die Körpergröße die Krankheiten?

Fragen Sie Dr. Schmidt: Wie groß sind Sie? Ist das jetzt auch eine Frage der medizinischen Prognostik?

Christof Meueler
"Bestimmt die Körpergröße die Krankheiten?"

Es gibt eine neue Studie aus den USA, die behauptet, bestimmte Krankheiten der jeweiligen Körpergröße zuordnen zu können. Ist das vorstellbar?

Ach, vorstellen kann man sich viel. Bei dieser Art von Studien ist immer die interessante Frage: Kausalität oder Koinzidenz?[1] Gibt es einen ursächlichen Zusammenhang oder nur ein Zusammentreffen von Umständen? Wenn Sachen nacheinander passieren, dann schlussfolgert das menschliche Denken in der Regel, dass es wegeneinander passiert, aber das ist natürlich nicht immer der Fall. Schaut man sich die Entwicklung der Sitzabstände in öffentlichen Verkehrsmitteln in Deutschland an, könnte man meinen, dass die Menschen immer kleiner geworden sind, obwohl es doch ganz genau umgedreht ist.

Die Leute werden größer?

Ja, aber weniger aus genetischen Gründen, sondern wegen der Ernährung und anderen Lebensumständen. Zum Beispiel in China: Dort werden jetzt viel mehr Milchprodukte [2]konsumiert, was anscheinend Gene aktiviert, die das Wachstum steuern. Man wird größer, bekommt aber auch leichter Krebs. Und schon früher hatte man in den USA beobachtet, dass die dort aufgewachsenen Kinder der Einwanderer meist deutlich größer wurden als ihre Eltern. Und auch da war wohl der entscheidende Unterschied die Ernährung.

Und Herzinfarkt, ist das denn genetisch?

Teils, teils. Du hast ja immer die berühmten Beispiele, wo der Typ eben seit 70 Jahren raucht und trotzdem kerngesund ist. Genetisch dürfte bei solchen Leuten wahrscheinlich wirklich etwas anders sein. Aber bei den meisten Menschen klappt das nicht.

Laut der Studie sind Menschen, die nicht so groß sind, eher herzinfarktgefährdet.

Allgemein ist das Problem, dass sich die Menschen zu wenig bewegen. Und die kleineren haben offenbar genetisch bedingt eine bessere Futterverwertung. Sie verbrennen relativ zur Größe weniger Kalorien. Es sind ja nicht viele Leute, die über 1,90 Meter sind, so dick geworden wie Helmut Kohl.

Du hast auf jeden Fall eine andere Figur als er.

Ich habe etwa dieselbe Größe wie er, bin aber doch von deutlich schmächtigerer Gestalt. Bestimmte Sachen hängen aber schon mit der Körpergröße zusammen.

Angeblich Krampfadern. Die bekommen eher die Größeren.

Also meine Oma hatte welche, und die ging bei mir unter dem ausgestreckten Arm durch. Fakt ist aber: Wenn du größer bist, hast du längere Beine. Und wenn die Leitungen länger sind, dann gibt’s natürlich auch leichter irgendwelche Leitungsschäden. Und das scheint, so die Autoren der erwähnten Studie, auch bei den Nerven in den Beinen der Fall zu sein.

Was man sagen kann: Es wird zu viel gesessen, und da fangen die Probleme an. Sitzen ist eigentlich von der Natur nicht vorgesehen.

Stehen ist auch nicht unbedingt gesund. Rumlaufen ist auf jeden Fall gesünder, und es ist angeblich auch gut für den Einfallsreichtum. Der olle Nietzsche jedenfalls meinte mal, man solle keinem Gedanken trauen, der im Sessel erdacht ist.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160940.alternativmedizin-wie-wirkt-das-denn.html?sstr=kausalität
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1163332.ndpodcast-schaeumt-die-milch-im-herbst-besser-als-im-fruehjahr.html?sstr=Milch