nd-aktuell.de / 14.06.2022 / Kultur / Seite 1

Bin ich schön?!

Punk oder Disco? Nein, auf die Oud kam es an: Roman Bunka ist tot

Kristof Schreuf
Weiter, immer weiter, von Embryo zur Oud zu Ich und Ich: Roman Bunka
Weiter, immer weiter, von Embryo zur Oud zu Ich und Ich: Roman Bunka

Der Musiker Roman Bunka ist tot. Er starb am vergangenen Sonntag in München. Bekannt wurde er Anfang der 70er Jahre als Gitarrist von Embryo[1], einer der dienstältesten Krautrockbands[2]. Doch die Neugier trieb ihn weiter. Deshalb hielt der 1951 in Frankfurt am Main geborene und in München wohnende Bunka nach Musikern Ausschau, mit denen er gern zusammenarbeiten wollte. Um sie zu finden, reiste er immer wieder in den nahen, den mittleren und den fernen Osten. So nahm Bunka unter anderem mit dem Fusionjazz-Perkussionisten Trilok Gurtu in Bombay, mit dem experimentellen Schlagzeuger Okay Temiz in der Türkei und mit dem ägyptischen Geiger Abdo Dagir in Kairo Platten auf.

In Bunkas Persönlichkeit verband sich innere Rastlosigkeit mit dem Vergnügen an neuen Aufgaben. Beide bewahrten ihn vor dem Schicksal etlicher seiner Krautrockkollegen, die in ihrer Musik zwar unendliche Ausdrucksmöglichkeiten entdeckt hatten, um sich dann aber monologisch gniedelnd bis monomanisch tönend,völlig in dieser Unendlichkeit zu verlieren. Der eigenwillige Bunka dagegen hatte offenbar mehr vor, als an einer beruflichen Zukunft als musikalischer Esoteriker zu arbeiten. Das ließ ihn während der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, als der Rest der Welt sich entweder für Discomusik oder für Punk begeisterte, zur Oud greifen.

Diese Kurzhalslaute wurde in Persien entwickelt und von heimkehrenden Kreuzfahrern nach Europa gebracht. Heute bereichert sie die Klanglandschaften, welche ein zeitgenössischer Star wie Stromae für seine Lieder entwirft. Für Bunka eröffnete die Oud ein neues Verständnis von Skalen und Modi, also von Tonleitern und -arten. Denn statt 12 Halbtonschritten der abendländischen Oktave standen ihm nun 24 Vierteltonschritte einer orientalischen Oktave zur Verfügung. Mit ihr ergänzte er sowohl die Band des österreichischen Liedermachers Hubert von Goisern als auch das Ensemble um den Traumpop-Gesamtkunstwerkers Jean-Michel Jarre[3]. Mit dem spanischen Flamenco-Gitarristen Tomatito schrieb er die Musik zum Kinofilm »Bin ich schön?!« der Regisseurin Doris Dörrie.

Außerdem arbeitete er mit dem Popduo Ich und Ich zusammen. Zwischendurch veröffentlichte Bunka Solo-Alben oder ging mit seinem Trio Dein Kopf ist ein schlafendes Auto ins Aufnahmestudio. Bei anderen wäre aus dessen Musik womöglich eine peinliche Geschmacksverirrung geworden. Doch der vielseitige Virtuose Bunka machte aus dieser Band eine Art Roman Bunka Experience, die sich mit tränenrührender Hingabe in türkische Melodien stürzte. Wie fast alle seine Projekte klang auch dieses nach einem wilden, bizarren, ambitionierten Experiment. Roman Bunka wurde 70 Jahre alt.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157892.dok-leipzig-die-vielen-gruende-der-flucht.html?sstr=christian burchard
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157758.krautrock-die-freiheit-der-prozesse.html?sstr=faust|moldenhauer
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/441732.atemberaubende-giganto-manie.html?sstr=jarre