Die Linke brennt für die Fackel von Schwedt

Partei will ihre Kampagne zur Rettung der Raffinerie ausweiten

»Da hat mal eine Kampagne richtig gut funktioniert«, stellt Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter befriedigt fest. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) spreche inzwischen selbst von einem Garantieplan für die PCK Raffinierie GmbH in Schwedt, benutze dabei teilweise fast wörtlich übernommene Formulierungen aus dem Forderungskatalog der Sozialisten. Die Linke hatte am 23. Mai ein Großflächenplakat in der Stadt an der polnischen Grenze enthüllt und damit eine Kampagne zur Rettung der Arbeitsplätze gestartet, die durch den geplanten Verzicht auf russisches Erdöl bedroht sind. Die Fackel, die weithin sichtbar über der Raffinerie brennt, dürfe nicht verlöschen. Wie Walter erklärt, wurden Postkarten an alle Haushalte in der über 30 000 Einwohner zählenden Kommune verteilt – adressiert an den Ministerpräsidenten.

Nach dem Desaster bei der Bundestagswahl – nur noch 8,5 Prozent der Stimmen erhielt Die Linke am 26. September 2021 – war die Kampagne auch ein Test, ob die Partei überhaupt noch Gehör findet. Nun soll die Kampagne ausgedehnt werden und landesweit laufen. An diesem Dienstag ab 15 Uhr will Sebastian Walter auf dem Neustädtischen Markt von Brandenburg/Havel mit Menschen ins Gespräch kommen und die Positionen seiner Partei erläutern. »Deckel drauf«, lautet die Losung angesichts der Preise für Waren des täglichen Bedarfs und für Energie, die wegen der Störung der Lieferketten durch die Corona-Pandemie und wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine explodiert sind.

Sebastian Walter weiß, wovon er spricht. Vor zwei Monaten hat er einen Brief seines Vermieters erhalten. Die Vorauszahlung für die Nebenkosten seiner Wohnung in Eberswalde hat sich verdoppelt. »Ich kann mir das leisten, ich bin Landtagsabgeordneter«, sagt er. »Ich frage mich nur, wie meine Nachbarn das bezahlen.« Und dabei beziehe sich die Verdoppelung nur auf die Kostensteigerungen im vergangenen Jahr. Der Krieg in der Ukraine sei da noch gar nicht eingepreist. Das dicke Ende kommt dann also erst im nächsten Jahr auf die Mieter zu.

Es ärgert den Linksfraktionschef, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die bedrohliche Lage für die Stadt Schwedt und ihre Raffinerie mit der Vorhersage verharmlost, es werde ein bisschen rumpelig, und dass Habecks Staatssekretär Michael Kellner von einer Zukunft mit grünem Wasserstoff fabuliert. Die Wasserstofftechnologie könnte auch nach Ansicht von Walter eine Perspektive bieten. Doch die Umstrukturierung des Betriebs würde zehn Jahre dauern. Der Raffinerie noch zwei Jahre Sicherheit zu geben, das sei keine Garantie, findet Walter. Er wünscht sich ein Gesetz, in dem festgeschrieben wird, was unternommen wird und wer es bezahlt. Mit Versprechungen, die dann vielleicht nicht gehalten werden, sei den Menschen nicht geholfen. Diese Gefahr sieht Walter. Denn die Zeit wird knapp. Es bleiben noch 24 Wochen. Dann will sich Deutschland von russischem Erdöl verabschiedet haben. Gezwungen ist man dazu nicht. Die EU verbietet lediglich, russisches Öl mit Tankern einzuführen. Durch die 1960 in Betrieb genommene Pipeline »Druschba« (Freundschaft) dürfte es weiter nach Schwedt fließen und dort zu Benzin, Dieselkraftstoff, Kerosin und Heizöl verarbeitet werden.

Die Raffinerie, die zum russischen Staatskonzern Rosneft gehört, hat angeboten, statt russisches Öl kasachisches zu nehmen. Diese Möglichkeit zu prüfen, hat der Linke-Bundestagsabgeordnete Christian Görke gefordert. Dass die Bundesregierung auch kein kasachisches Öl wolle, zeigt für Walter endgültig, dass der Umgang mit Schwedt politisch motiviert ist. Würde die Raffinerie nicht im Osten, sondern in Bielefeld oder Düsseldorf stehen, sähe es anders aus, glaubt er. Wenn die Bundespolitik so handelt, dann müsse sie aber auch die Arbeitsplätze sichern und die Löhne weiter zahlen. 1200 Beschäftigte zählt die Raffinierie, weitere 1700 Jobs hängen von ihr ab.

Eine Arbeitsgruppe will mit Hochdruck daran arbeiten, dass Tanker Öl aus anderen Quellen zum Rostocker Hafen transportieren. Von dort soll der Rohstoff über eine bestehende Pipeline nach Schwedt fließen. »Das ist, wo ich die höchste Ungeduld habe, wo wir am schnellsten vorankommen müssen«, sagt Staatssekretär Kellner, der die Arbeitsgruppe leitet. Bisher nutzte die Raffinerie diese Pipeline in der umgekehrten Richtung für ihre Erzeugnisse. Sie sei ohne ihren Ausbau für 80 Millionen Euro aber nicht ausreichend leistungsfähig, um genug Öl nach Schwedt zu bringen, erläutert Walter. Darum ist er skeptisch. Andere Alternativen haben sich ihm zufolge bereits zerschlagen, etwa der Weg über den Hafen von Gdańsk, über den sich nun aber die zweite ostdeutsche Raffinerie in Leuna versorge.

Verräterisch ist für Walter die Auskunft, dass die Raffinerie in Schwedt für die Versorgung der Tankstellen in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nicht zwingend notwendig sei. Die Raffinerie sei zwar voll ausgelastet, die Raffinerien in Westdeutschland jedoch nur zu 60 Prozent. Die könnten ja zur Not einspringen. Die höheren Transportkosten für die längeren Anfahrtswege der Tanklaster würden dann aber auf die ohnehin schon extrem gestiegenen Spritpreise noch oben draufgeschlagen werden. Die Zeche für diese Politik müssten dann die hiesigen Autofahrer zahlen.

»Ich halte nichts von diesem Ölembargo, das will ich offen sagen«, erklärt Walter. Wenn das Embargo den russischen Präsidenten Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zwingen und den Krieg in der Ukraine beenden würde, dann wäre der Linksfraktionschef dafür – und wenn das zehn Milliarden Euro kosten würde, dann müsste dieser Preis für den Frieden gezahlt werden. Aber: »Wenn das PCK dicht gemacht wird, dann ist das Putin egal.« Der könne sein Öl auch anderswohin verkaufen und dort sogar höhere Preise erzielen. 20 Milliarden Euro Mehreinnahmen aus dem Ölexport werde Russland im laufenden Jahr wahrscheinlich erzielen.

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