Krauses Weltbild, viele offene Fragen

Der rechtsradikale Offizier Franco A. redete im Frankfurter Terrorprozess viel und sagte wenig

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 5 Min.

Die größte Überraschung hob sich Franco A. für sein Schlusswort auf. Der Mann, der in den nunmehr fast 14 Monaten seines Terrorprozesses kaum eine Gelegenheit zum weitschweifigen Vortrag ausgelassen, immer wieder schier endlos geredet und doch entscheidende Fragen bis zuletzt nicht beantwortet hatte; der Mann, dessen Verteidigungsstrategie darin zu bestehen schien, jedes Verdachtsmoment unter einem Schwall von Worten zu begraben, er sagte nun: »Ich werde mich kurz halten.«

Seit Mai 2021 steht der suspendierte Oberleutnant aus Offenbach vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main. Er ist der erste Bundeswehrsoldat, dem wegen des Vorwurfs der Planung rechtsextremer Anschläge der Prozess gemacht wurde. An diesem Freitag will der Staatsschutzsenat das Urteil verkünden. Wie es ausfallen wird, ist kaum vorherzusagen.

Eingeräumt hat Franco A. nur, was ohnehin als bewiesen gelten darf: dass er illegal vier Schusswaffen besessen hat, darunter ein Sturmgewehr. Dass er im Keller seines Offenbacher Elternhauses mehr als 1000 Schuss Munition aus Bundeswehrbeständen bunkerte. Und dass er über ein Jahr lang ein Doppelleben als syrischer Geflüchteter »David Benjamin« führte. Doch der 33-Jährige beteuerte, dies habe er nicht getan, um eine Tarnidentität für Anschläge zu haben. Vielmehr habe er eine Undercover-Recherche im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) à la Günter Wallraff betrieben.

Den Hauptvorwurf der »Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat« bestreitet der Soldat also. Und in der Tat gibt es hier keine klaren Beweise, sondern lediglich Indizien. Die Bundesanwaltschaft ist dennoch überzeugt, dass A. Mordanschläge auf prominente Feindbilder der extremen Rechten wie Heiko Maas, Claudia Roth oder die Gründerin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, plante. Sie forderte entsprechend eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten. Die Verteidigung dagegen fordert einen Freispruch vom Terrorvorwurf. Für den Rest reiche eine Bewährungs- oder sogar bloß eine Geldstrafe.

»Eine Summe von Merkwürdigkeiten macht noch keinen Terroristen«, sagte Rechtsanwalt Moritz Schmitt-Fricke, bevor er am 8. Juli in seinem Plädoyer die rechte Mär vom »verstaatlichten Unrecht in der Flüchtlingskrise« beschwor, den Senat als »Woke-Tribunal« schmähte und seinen Mandanten zum Opfer von politischer Verfolgung wie in Russland oder Nordkorea erklärte. Co-Verteidiger Johannes Hock, der sein Mandat wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten mit dem unbelehrbaren Angeklagten zwischenzeitlich gerne losgeworden wäre, bescheinigte Franco A. zwar »untaugliches Geschwurbel, durchzogen von Gesinnungsschwafelei«. Doch der »feste Tatentschluss«, der dem Bundeswehroffizier für eine Verurteilung als Terrorist nachzuweisen wäre, lasse sich daraus eben nicht ableiten.

Dass die Zahl der Merkwürdigkeiten groß war, ist zweifellos richtig. Aber der Prozess hat schon noch etwas mehr zutage gefördert – auch wenn das zuweilen durch die Ausflüchte und Ablenkungsmanöver des Angeklagten in den Hintergrund gedrängt wurde. Da waren seine skurrilen Beweisanträge (wie den, seine Unschuld durch seinen weiten Musikgeschmack zu unterstreichen) oder Auftritte von Zeugen, die an die Existenz menschheitsbeherrschender Echsenwesen glauben.

Sprachmemos, Notizen und Tagebucheinträge von Franco A. zeichneten das Bild eines Mannes, der sich im »Rassenkrieg« wähnt, der die Welt von Juden beherrscht sieht, der sich mit einem »Zentralrat der Deutschen« gegen die vermeintliche Unterjochung der alteingesessenen Mehrheitsbevölkerung in der Bundesrepublik wehren will, der von einem Militärputsch unter seiner Führung träumt – und der in alledem keinen Rechtsextremismus erkennen kann. Der To-do-Listen anlegte, denen zufolge er sich neben Alltagsaufgaben das »Lokalisieren« von Claudia Roth vornahm, Stichworte wie »Handgranaten« und »Molotow-Cocktails« notierte und offenbar über eine Befreiung der notorischen Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel aus dem Gefängnis oder eine Sprengung des Denkmals für die jüdische Bankiersfamilie Rothschild in Frankfurt nachdachte.

»Gewalt ist eine Option, Gewalt muss eine Option sein«, sprach der Angeklagte einmal in sein Handy. »Scheuen wir uns nicht zu töten.« Vor Gericht beteuerte er, das sei alles nur metaphysisch gemeint und der von ihm proklamierte Kampf gegen »das System« sei nur gewaltloser Widerstand gegen die »soziale Matrix«. Was das heißen soll, konnte er allerdings nicht recht erklären.

»Sie sprechen ja gerne von den Hirngespinsten der Bundesanwaltschaft«, hatte der Senatsvorsitzende Christoph Koller einmal gesagt, nachdem Franco A. seine Geduld wieder einmal arg strapaziert hatte. »Aber die Anklage ist nicht unlogischer als das, was Sie bisher sagen.« Der Offizier will sich bewaffnet haben, um seine Familie in einem von ihm befürchteten Bürgerkrieg oder dritten Weltkrieg schützen zu können. Aber warum lagerte er die Waffen dann in Frankreich, wo er in einer deutsch-französischen Brigade Dienst tat, und nicht in Offenbach? Und warum beschaffte er sie sich illegal, wenn er gar nichts Verbotenes plante?

Franco A. machte Fotos in der Tiefgarage der Amadeu-Antonio-Stiftung in Berlin – und behauptete vor Gericht, dass er mit deren Gründerin Anetta Kahane nur habe sprechen wollen. Er flog auf, als er im Februar 2017 einen von ihm auf dem Airport Wien versteckten Revolver abholen wollte – und erzählt dazu bis heute eine haarsträubende Geschichte von einer beim Pinkeln auf einer Toilette auf dem Flughafengelände gefundenen Waffe, die sogar seine Verlobte als unwahr bezeichnete. Zu Herkunft und Verbleib der drei weiteren Schusswaffen wollte er überhaupt nichts sagen.

Nur am Rande kam im Prozess zur Sprache, wie Franco A. mit Gleichgesinnten vernetzt war – im »Hannibal«-Netzwerk eines mittlerweile ehemaligen Offiziers der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK), aber auch in der Kaserne im elsässischen Illkirch. Doch klar wurde: Der Angeklagte hielt bei der Bundeswehr mit seiner rechten Gesinnung nicht hinter dem Berg – was ohne Folgen blieb. Über das völkische Verschwörungspamphlet, das er als Masterarbeit an einer französischen Militärakademie einreichte, sah man genauso hinweg wie über rassistische und antisemitische Äußerungen gegenüber Kameraden. Im Bataillon sei das »hinlänglich bekannt« gewesen, sagte ein Offizier. »Aber eine Relevanz, etwas zu unternehmen, wurde nicht erkannt.«

Vielleicht auch deshalb hatte Franco A. beim Prozessauftakt noch siegesgewiss verkündet, er setze auf eine Rückkehr in die Bundeswehr. Vor einer Woche erklärte er hingegen in seinem tatsächlich sehr knappen Schlusswort, er wolle künftig »Hausmann und Vater« sein. Immerhin, so weit reichte die Einsicht des Mannes, der seit Februar wieder in Untersuchungshaft sitzt, nach 36 Verhandlungstagen dann doch.

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