nd-aktuell.de / 20.07.2022 / Kommentare / Seite 1

Der Autowahn muss enden

Nicolas Šustr über verlogene Debatten und zu viel Bremserei

Nicolas Šustr

Es sind vor allem die wohlhabenden Menschen, die von der jahrzehntelangen Politik pro Auto profitieren. Sie haben relativ zum Einkommen die meisten und auch die größten Autos und streichen somit auch die größten Vorteile ein. Je mehr ein Verbrenner schluckt, desto höher die Subvention durch den Tankrabatt.

Geringverdiener fahren nun mal selten Bentley, Porsche oder einen SUV. Doch die Umweltfolgen der Ressourcenschleudern bekommen genau sie ab. Seien es Abgase und Lärm vor ihren Fenstern in den günstigen Wohnungen an den Ausfallstraßen oder auch die Folgen der Erderhitzung, die im Globalen Süden noch extremere Auswirkungen haben als in Berlin, wo derzeit zwei sehr heiße Tage für große Aufregung sorgen.

Das heißt nicht, dass nicht auch weniger wohlhabende Menschen teilweise auf ein Auto angewiesen sind. Zum Beispiel, weil sie als Schichtarbeiter zur Unzeit durch die halbe Stadt fahren müssen und der Nahverkehr zu unzuverlässig ist oder weil wegen seltener Verbindungen mit ungünstigen Umstiegen die Fahrzeit durchaus auch dreimal so lang sein kann. Das ändert aber nichts daran, dass der Autoverkehr radikal reduziert werden muss. Durch weniger Parkplätze und Autospuren sowie höhere Park- und Fahrtkosten.

Doch statt Gießkannenförderungen oder kleinteiligen Antragsverfahren für Ermäßigungen bei Parkgebühren oder dergleichen wäre ein einheitliches Mobilitätsgeld pro Kopf die bessere Lösung für den sozialen Ausgleich. Dann können Geringverdienende selber entscheiden, ob sie das Geld dafür einsetzen, höhere Betriebskosten beim Auto auszugleichen oder den Pkw abzuschaffen und stattdessen mit einer Kombination aus Bus und Bahn, Fahrrad, zu Fuß und mit Sharing-Fahrzeugen ihre Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen. Denn viele nutzen das Auto aus Gewohnheit, nicht weil es nicht anders geht.

Berlin muss schnell seinen Teil leisten. Daran darf auch ein Beinahe-Unfall der Regierenden Bürgermeisterin in Paris mit einem E-Bike nichts ändern.