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  • Fußball-EM der Frauen

Triumphtanz und Träume der DFB-Elf

Die deutschen Fußballerinnen wollen nach dem hart erkämpften Sieg gegen Österreich nach Wembley

  • Frank Hellmann, London
  • Lesedauer: 4 Min.
Schrei der Erlösung: Alexandra Popp (l.) schoss mit ihrem späten 2:0 die Österreicherinnen um Sarah Zadrazil aus der EM.
Schrei der Erlösung: Alexandra Popp (l.) schoss mit ihrem späten 2:0 die Österreicherinnen um Sarah Zadrazil aus der EM.

Das Community Stadium von Brentford direkt an der Bahnstation Kew Bridge werden deutsche Fußballerinnen wohl auf ewig in guter Erinnerung behalten. Weil diese perfekt zu einer Frauen-EM passende Spielstätte tief im Westen von London einen Meilenstein auf dem Weg zu besseren Zeiten markieren kann: Ein letztes Mal haben hier Kapitänin Alexandra Popp und Kolleginnen bei dieser Europameisterschaft nach dem schwer erkämpften 2:0-Viertelfinalsieg gegen Österreich einen ausgiebigen Jubeltanz aufgeführt. Dabei wunderte sich die zur Spielerin des Spiels gewählte Klara Bühl über die Kraft, die alle beim Hüpfen und Singen noch aufbrachten, ehe es im Teamhotel bei Pita-Taschen mit Falafel und Salat wieder ruhiger zuging: »Ich weiß nicht, woher die Energie kommt. Aber es ist irgendwie noch einmal eine andere Muskelgruppe.«

Zuvorderst war es Kopfsache, dass das Ensemble anders als bei den Niederlagen der EM 2017 gegen Dänemark und bei der WM 2019 gegen Schweden nicht wieder nach einem identischen Muster an dieser Turnierschwelle böse strauchelte. Widerstandskraft und Behauptungswille erzwingen am Ende auch das Spielglück, denn nach Aluminiumtreffern hatten die DFB-Frauen ja 2:3 verloren. Dennoch stehen sie mit einer makellosen EM-Bilanz mit vier Siegen ohne Gegentor erstmals seit den Olympischen Spielen 2016 nicht zufällig unter den besten vier. Klar, dass Martina Voss-Tecklenburg nach einem »sehr intensiven Spiel gegen einen sehr hartnäckigen Gegner« stolz und glücklich war. Letztlich gibt es in den K.-o.-Runden von Turnieren keinerlei Schönheitspreise zu gewinnen – das Weiterkommen zählt.

Die 54-jährige Bundestrainerin hat bewiesen, dass sie hohe Vorgaben erfüllen kann. »Wenn ich die Worte von Oliver Bierhoff nehme, dass es unser Anspruch ist, unter die letzten vier zu kommen bei großen Turnieren, dann haben wir das erst mal geschafft«, sagte sie. »Nichtsdestotrotz wollen wir auch dieses Halbfinale gewinnen, egal, gegen wen es geht. Wir wissen aber auch, dass es der nächste große Schritt wird.« Am kommenden Mittwoch in Milton Keynes werden entweder die mitfavorisierten Französinnen oder die Titelverteidigerinnen aus den Niederlanden der Gegner sein. Alle träumen vom Finale in Wembley am 31. Juli. Wie sich hier eine Begegnung vor riesiger Kulisse gegen England anfühlt, weiß die Stürmerin Bühl noch genau, die beim Freundschaftsspiel am 9. November 2019 kurz vor Schluss das 2:1-Siegtor erzielt hatte. Bevor es zur Wiederauflage kommt, müssen beide erst noch ihr Halbfinale gewinnen.

Die Bundestrainerin fand den Einzug alles in allem »verdient«, Voss-Tecklenburg sagte aber auch: »Kompliment an Österreich.« Deren Teamchefin Irene Fuhrmann tröstete sich damit, »gegen ein absolutes Weltklasseteam« verloren zu haben. Letztlich brachten individuelle Fehler von Kapitänin Carina Wenninger, die sich von Bühl vor dem 0:1 durch Lina Magull den Ball abluchsen ließ, und Keeperin Manuela Zinsberger, die die heranstürmende Popp zum 0:2 anschoss, den tapferen Außenseiter auf die Verliererstraße. Während sich die deutsche Torschützin diebisch freute (»Jeder hat gedacht, dass wir nichts reißen, jetzt stehen wir im Halbfinale«), rollten der österreichischen Torhüterin unentwegt Tränen über die Wangen.

Von einem »dreckigen Sieg« sprach ihr Gegenüber Merle Frohms, die trotz erster kleiner Wackler dank Pfosten und Latte weiter ihre weiße Weste bewahrte. »Wir haben gerade ein Weltklasseteam«, sagte die 27-Jährige, der DFB-Akademieleiter Tobias Haupt in diesem Turnier eine »Weltklasseleistung« attestiert. Auf demselben Level ist auch Lena Oberdorf unterwegs, die dem robusten Gegner in jeder Phase mit ihrer entschlossenen Zweikampfführung die Stirn bot. Die Defensivlust einer 20-Jährigen illustriert den größten Wandel im DFB-Ensemble, das sich von einer bisweilen launischen Spielmacherin Dzsenifer Marozsán, die mit Kreuzbandriss ausfällt, völlig emanzipiert hat.

Generalsekretärin Heike Ullrich war sich als Augenzeugin in Brentford am Donnerstagabend sicher, dass dieser Erfolg »keine Eintagsfliege« bleiben wird. Denn: »Dieses Team kommt in einer besonderen Art und Weise mit ganz unterschiedlichen Widerständen klar.«

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