Ringtausch befeuert Aufrüstung

Osteuropäer und Regierungspolitik spielen mit dem Risiko direkter Waffenlieferungen

Der polnische Verteidigungsminister der nationalkonservativen und rechtspopulistischen PiS, Mariusz Blaszczak, bezeichnete in der vergangenen Woche die deutschen Waffenlieferungen im Rahmen des Ringtausches an Polen als unzureichend. Damit befeuerte Blaszczak eine Debatte, von der sich die deutsche Regierungspolitik nun mitten im Sommerloch massiv unter Zugzwang setzen lässt. Dass die Bundesregierung 20 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4 liefern wolle, die erst in 12 Monaten einsatzfähig wären, reicht ihm nicht aus. Sein Land erwarte mindestens 44 Panzer, um ein Panzerbataillon ausstatten zu können.

Blaszczak kritisierte damit den Ringtausch, der im März dieses Jahres ersonnen wurde, um eine über die bisherigen Grenzen des Ukraine-Konfliktes hinausgehende Eskalation zu vermeiden. Russland sollte mit sowjetischen schweren Waffen bekämpft werden, nicht aber mit schweren Waffensystemen westlicher Bauart. Waffen, die ehemalige Staaten des Warschauer Paktes noch in ihrem Besitz haben und die dem ukrainischen Arsenal ähnlicher sind als westliche Waffensysteme. Sie können schneller zum Einsatz gebracht werden, da zusätzliche Ausbildung ebensowenig nötig wird, wie der Aufbau neuer Instandsetzungsketten und der Ersatzteilversorgung.

Doch im Ringtausch steckt auch ein immenser symbolischer Wert. In den letzten Monaten verstärkte die Nato zusehends ihre Ostgrenze, stationierte Truppen und schaffte Waffensysteme in die Anrainerstaaten der Ukraine. Dabei wurde zunächst vermieden, schwere Waffen aus westlicher Produktion auf das Gebiet der Ukraine zu transportieren. Die Intention: Kein Nato-Staat wollte sich vorwerfen lassen, die Ukraine führe nun einen Krieg der früheren Blockmächte als Stellvertreter durch.

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Die außen- und verteidigungspolitische Kosmetik, die dabei betrieben wurde, geriet jedoch schon mit der Lieferung deutscher und niederländischer Panzerhaubitzen im Juni an ihre Grenzen. Jetzt scheinen Grünen und FDP gänzlich vom Ringtausch abrücken zu wollen. Polen hatte der Ukraine mehr als 200 Panzer sowjetischer Konstruktion geliefert. Aus Kreisen des Verteidigungsministeriums in Berlin hieß es bereits am Freitag, schon in einer frühen Phase seien dafür als Kompensation 100 verfügbare Panzer vom Typ Leopard 1 in gutem Zustand angeboten worden. Diese habe Polen jedoch als zu alt abgelehnt. Es sei deutlich geworden, dass Panzer vom Typ Leopard 2 gewünscht sind. Aus Beständen der Bundeswehr seien diese aber nicht zu liefern.

Nachdem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einräumte, der Ringtausch funktioniere nicht so wie geplant, eskalierte Parteikollegin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt mit der Forderung, Panzer direkt an die Ukraine zu liefern. Das ruft auch die FDP mit auf den Plan. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, kritisierte gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio, würden die »Ringelreihen« nicht hinhauen, »dann sollte man es ganz bleiben lassen und der Ukraine das Material direkt schicken«. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte am Montag im Deutschlandfunk Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) auf, das bisherige Konzept dringend zu überprüfen. Es gehe auch um das Ansehen Deutschlands als Nato-Partner. Djir-Sarai sagte, der Ringtausch mit Ländern wie Polen, Slowenien oder Griechenland sei in der Theorie eine gute Idee gewesen. Es müsse jetzt untersucht werden, warum das in der Praxis nicht funktioniere.

Eskalationsbereit zeigten sich auch Außenpolitiker der Union. Nach Ansicht des außenpolitischen Sprechers der Union, Jürgen Hardt, solle über direkte Lieferungen von Kampfpanzern an die Ukraine nachgedacht werden. Der CDU-Politiker sagte am Montag, »dass wir diese Optionen alle erwägen sollten und dass Deutschland jetzt rasch handeln sollte«. Partei-Kollege Roderich Kiesewetter hatte bereits am Sonntag die grün-gelben Ambitionen in Druck auf SPD-Kanzler Olaf Scholz umgemünzt.

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Unterdessen trafen die ersten Luftabwehrpanzer aus Deutschland ein. Geliefert wurden drei der insgesamt 15 versprochenen Gepard-Panzer. Kiew hatte zuvor mehrfach die zögerliche Haltung bei Waffenlieferungen kritisiert. Mit Agenturen

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